Die Aussagen von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (im Bild hinten) sorgten nicht nur bei SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner für Empörung.

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Wien – 0,94 Prozent. So groß ist der Anteil der Mindestsicherung an den gesamten Sozialleistungsausgaben. Ein Detail, das am Mittwoch beim Bewerben des neuen Sozialhilfegesetzes im Nationalrat ausgespart blieb. ÖVP und FPÖ setzten lieber auf Emotionen statt auf nüchterne Zahlen.

Nicht umsonst trug die von den Blauen anberaumte Aktuelle Stunde den Titel "Mindestsicherung neu – mehr Fairness für uns Österreicher statt Zuwanderung in das Sozialsystem". Und die Regierungsparteien gaben ihr Bestes, ihr Gesetzesvorhaben zu einer "Wir gegen die"-Debatte aufzuwiegeln, allen voran die blaue Sozialministerin.

Inländer gegen Ausländer

Beate Hartinger-Klein sprach viel von Fairness. "Weil wir nicht wollen, dass weiterhin hart verdientes Steuergeld an ausländische Wirtschaftsflüchtlinge verteilt wird." Oder: "Weil es nicht länger sein darf, dass viele unserer steuerzahlenden Arbeitnehmer und Angestellten unterm Strich schlechter dastehen als jene, die arbeiten könnten, aber nicht arbeiten wollen." Fair sei aber auch: "Wir wollen nicht länger zusehen, dass Großfamilien mit zehn Kindern und mehr – es handelt sich meist um Familien aus dem afrikanischen und arabischen Raum – Sozialleistungen in einer Höhe beziehen, die für durchschnittliche Arbeitnehmer nicht erreichbar sind."

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Auf Inländer gegen Ausländer folgte das Spiel türkis-blauer Bund gegen rot-grünes Wien. Die "Missstände" in der Bundeshauptstadt gibt es nämlich nur deshalb, da war sich die Sozialministerin sicher, "weil Rot-Grün die illegale Einwanderung braucht, fördert und mit der Mindestsicherung auch künftig fördern will".

Der rote Vizeklubchef Jörg Leichtfried tobte. Jedenfalls am lautesten. Er verlangte von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) einen Ordnungsruf für diese "unpackbarste Rede, die ich je gehört habe". Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zeigte sich entsetzt: "Frau Bundesminister, Ihre Worte heute waren das Menschenverachtendste, das ich aus Ihrem Mund je gehört habe!" Dass ÖVP-Klubchef August Wöginger den Wienern zuvor noch mit Sanktionen beim Finanzausgleich gedroht hatte, sollte das Gesetz in der Hauptstadt nicht ordentlich umgesetzt werden, war in der Aufregung noch gar nicht inkludiert.

Kaffee ohne Genierer

Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker blieb nur die Hoffnung, dass die Besucher aus dem Deutschen Bundestag, die die Debatte mitverfolgt hatten, zwischenzeitlich auf einen Kaffee gegangen waren, denn: "Ich geniere mich für dieses Hohe Haus heute." Loacker verglich das Vorgehen der Regierung mit dem eines Märchenerzählers. Da sei die Rede von den hart arbeitenden Bürgern, die die Dummen seien, und von den Ausländern und ihren Kindern, die daran schuld seien. Dass rund 50 bis 60 Prozent der Mindestsicherungsbezieher alleinstehend sind, gefolgt von der zweitgrößten Gruppe der Alleinerziehenden mit einem Kind, passe in diese Erzählung nicht hinein.

Die Eckpunkte der neuen Mindestsicherung: Einzelpersonen erhalten weiter einen Grundbetrag von 863 Euro, Voraussetzung sind ausreichende Deutschkenntnisse. Die Zuschläge für Kinder sinken von 25 Prozent für das erste auf fünf Prozent ab dem dritten Kind. Die Länder können Alleinerziehern einen Bonus gewähren, müssen aber nicht.

Der Anteil ausländischer Staatsbürger an der Mindestsicherung beträgt 49,58 Prozent. Auch in Wien ist die Situation nicht dramatisch anders: 51 Prozent. (Karin Riss, 27.3.2019)