Ein Outfit der Wiener Designerin Imen Bousnina.

Foto: Imen Bousnina, Museum Angewandte Kunst Frankfurt

"Chanel #VII" aus der Serie "Al-Kouture 2018" von Wesaam Al-Badry.

Foto: Wesaam Al-Badry, Valentino, Museum Angewandte Kunst Frankfurt

Stills aus dem Video "Somewhere in America".

Foto: Habib Yazdi, Museum Angewandte Kunst Frankfurt

Kommende Woche eröffnet in Frankfurt die Ausstellung "Contemporary Muslim Fashions" im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt. Die Schau wurde bereits im Vorjahr im Fine Arts Museums of San Francisco gezeigt – und sorgte dort "für Furore", wie es auf der Website des deutschen Museums gleich im ersten Satz zu der Ausstellung heißt. Die Aufregung bleibt auch in Deutschland nicht aus, lange vor der Ausstellungseröffnung. "Die Ausstellung präsentiert eine Momentaufnahme aktueller muslimischer Kleidungsstile aus aller Welt", heißt es auf der Museumsseite. Sie reflektiere, "wie Kleidung dem Ausdruck der vielen Facetten individueller, religiöser und kultureller Identität dient – und wie sie Identität prägt".

Verherrlichtes Kopftuch

Das Magazin "Emma" sieht das deutlich skeptischer. In der aktuellen Ausgabe ist von einer "skandalös affirmativen" und "pseudotoleranten" Ausstellung die Rede, und man fragt sich, ob es denn die Aufgabe eines städtischen Museums sein solle, aus der "zunehmenden Verhüllung einen Trend zu machen". Schließlich gebe es in der Türkei einen Anstieg bei der Zahl kopftuchtragender Frauen und den Zwang zur Verschleierung im Iran, in Afghanistan oder Saudi-Arabien. Auch die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes übt Kritik und spricht in der "Welt" von einem "Schlag ins Gesicht" jener Frauen, die zwangsweise ein Kopftuch tragen müssten. "Ein muslimisches Kopftuch darf nicht als modisches Accessoire verherrlicht werden", sagt Inge Bell von Terre des Femmes.

Seyran Ateş, Anwältin, Imamin und Gründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin, ist überzeugt, dass solche Ausstellungen den treibenden Kräften des politischen Islam wie Recep Tayyip Erdoğan und den Muslimbrüdern in die Hände spielen.

Das Museum Angewandte Kunst schreibt über die Ausstellung selbst, dass der Markt für muslimische Mode "rasant wächst". Allerdings zeigt die Schau auch muslimische Mode, die über das Kopftuch hinausgeht, wie erste Pressefotos zeigen. Insgesamt sind in der Ausstellung 80 Ensembles zu sehen, bei der Hälfte davon gehört dazu irgendeine Art von Kopfbedeckung. Davon könnten wiederum nur 20 als religiöse Kopfbedeckung – etwa ein Hijab – wiedererkannt werden, heißt es auf Nachfrage des STANDARD aus dem Pressebüro des Museums.

Designerinnen aus Wien

Dort findet man es schade, dass die Kritik bereits laut geworden sei, ohne dass die Inhalte der Ausstellung bekannt gewesen seien. Dabei hätte laut dem Museum man schon an der Schau in San Francisco sehen können, dass darin ebenso künstlerische Arbeiten vertreten seien, die sich kritisch mit dem Thema beschäftigen. Die Ausstellung in Frankfurt gleiche zu bis zu 98 Prozent jener in San Francisco.

Die ursprüngliche Idee zu der Ausstellung stammt übrigens von dem Wiener Max Hollein, der seit Sommer 2018 Direktor des Metropolitan Museum of Art in New York ist. Die Ausstellung arbeitet mit Designern aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei, Indonesien und Malaysia zusammen. Hinzugekommen sind für die Ausstellung in Frankfurt unter anderem vier Zusätze aus dem deutschsprachigen Raum, darunter zwei Designerinnen aus Wien: Naomi Afia und Imen Bousnina.

Afia kann die Kritik nicht nachvollziehen. Sie selbst hat ihre letzte Kollektion "Our Bodies Our Business" genannt, "es ging mir darum, ein Statement für Selbstbestimmung zu setzen, ein Statement gegen Zwänge, was welche Körper tragen sollen oder nicht – ob diese Zwänge nun von der einen oder anderen Seite kommen".

Afia sieht unterschiedlichste Motivationen von Designerinnen, sich mit muslimischer Mode zu befassen, "es ist deswegen schade, dass die Kritik an der Ausstellung alles derart reduziert".

Tiefe Gräben

Um sich mit muslimischer Mode und der Kritik an der Ausstellung genauer zu befassen, wird von 12. bis 14. April auch ein Symposium zur Ausstellung stattfinden, das Mahret Ifeoma Kupka, Kuratorin für Mode, Körper und Performatives am Museum Angewandte Kunst, gemeinsam mit der Aktivistin und Anti-Rassismus-Referentin Nabila Bushra gestaltet. Bushra hat als Reaktion auf die Kritik auch die Instagram-Kampagne #Modeist initiiert, bei der Userinnen zeigen sollen, wie sie "Mode selbstbestimmt nutzen".

Die sozialen Medien selbst werden auch Teil der Ausstellung sein. Sie hätten eine zentrale Rolle bei der Verbreitung des Trends gespielt, heißt es vom Museum. Ein Trend, den wohl jede Seite in dieser Diskussion als politisch bezeichnen würde – sei es als Ausdruck von Selbstbestimmung oder Zwang. "Contemporary Muslim Fashions" wird einmal mehr die tiefen Gräben in dieser Debatte sichtbar machen – so viel ist schon vor der Eröffnung sicher. (Beate Hausbichler, 28.3.2019)