Ein Schattennetzwerk rund um aktive und ehemalige Soldaten und Polizisten sorgt für Aufsehen

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Chatgruppen, deren Mitglieder Feindeslisten anlegen, sich teils in Vereinen organisieren, teils Anschläge geplant haben sollen: Die Recherchen zum "Tag X"-Netzwerk lesen sich wie ein Krimi. Doch vieles liegt im Dunkeln, vieles ist verwirrend und kompliziert. Deshalb hat DER STANDARD versucht, die wichtigsten Fragen und Antworten dazu möglichst einfach zusammenzufassen.

Frage: Was ist das ominöse Tag-X-Netzwerk?

Antwort: Deutsche Behörden entdeckten im Jahr 2017 private Chatgruppen, deren Mitglieder auch ehemalige oder aktive Polizisten, Soldaten oder Beamte waren. In diesen Gruppen wurden militärische, interne Lagebilder und Tipps ausgetauscht. Man wollte sich auf einen Tag X vorbereiten, also auf ein Horrorszenario wie eine Terrorwelle, durch das die staatliche Ordnung zusammenbricht. Einzelne Mitglieder der Chatgruppen legten auch Listen mit "Feinden" an, die sie am Tag X in Kasernen sammeln und töten wollten.

Frage: Was sind Prepper?

Antwort: Als Prepper werden Menschen bezeichnet, die sich auf Katastrophen vorbereiten, indem sie etwa Konserven horten und sich um Notfallpläne kümmern. Es gibt Überschneidungen mit einer rechten Szene, wie aktuell am Tag-X-Netzwerk zu sehen ist.

Frage: Gibt es in diesem Netzwerk eine Österreich-Chatgruppe?

Antwort: Es gab im Tag-X-Netzwerk einige Chatgruppen, die miteinander verbunden waren. Die Existenz von Nord, Nordkreuz, Süd und Basis ist bestätigt. Zeugen sagten zu deutschen Ermittlern, dass es auch eine Österreich-Chatgruppe gab. Das bestätigten indirekt auch Verfassungsschutz-Chef Peter Gridling und Bundesheersprecher Michael Bauer. Ihre Mitglieder und Inhalte sind jedoch nicht bekannt. Fakt ist, dass Mitglieder der Nord-Chatgruppe 2015 zum Schießen und Marschieren in Niederösterreich waren.

Frage: Wie sind die Behörden auf die Chatgruppen gestoßen?

Antwort: Im Februar 2017 wurde in Österreich der Terrorverdächtige Franco A. festgenommen, ein deutscher Soldat, der sich als syrischer Flüchtling registrieren ließ. Er hatte eine Waffe auf dem Flughafen Schwechat versteckt. Franco A. war Mitglied der Chatgruppe Süd. So gelangten die Ermittler auf die Fährte der Chatgruppen.

Frage: Warum werden die Gruppen auch "Hannibals Schattennetz" genannt?

Antwort: Der ehemalige deutsche Elitesoldat André S. hat unter dem Alias "Hannibal" mehrere dieser Chatgruppen administriert. In der Gruppe Nord, die rund 50 Mitglieder hatte, postete vor allem "Hannibal" Inhalte. Er bestritt gegenüber Ermittlern vehement, einen Staatsstreich zu planen. Ein Kontakt im Geheimdienst der deutschen Bundeswehr (MAD) soll S. vor anstehenden Razzien in Kasernen gewarnt haben. S. wurden von den deutschen Behörden bislang nur Verstöße gegen das Waffengesetz vorgeworfen.

Frage: Was hat der Verein Uniter mit den Chatgruppen zu tun?

Antwort: Der Verein Uniter wurde von André S. und – wie sich nun herausstellte – einem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Baden-Württemberg gegründet. Uniter will Ex-Elitesoldaten vernetzen, Mitglieder bieten etwa Training, teils mit Waffen, an. Uniter bestreitet, etwas mit den Chatgruppen zu tun zu haben. Doch es gibt personelle und organisatorische Überschneidungen.

Frage: Haben Uniter und "Hannibal" Bezüge nach Österreich?

Antwort: Uniter ist als gesamter Verein Mitglied in einem Pseudo-Ritterorden namens Lazarus Union, der seinen Sitz in Wien hat. Dessen Vizepräsident ist Andrè S. Beide Mitgliedschaften sind derzeit ruhend gestellt. Lazarus gibt sich als karitative Organisation; der Zweck der Aufnahme von Uniter ist unklar. Allerdings ist die Lazarus Union mit Bundesheermitarbeitern vernetzt und besitzt einen beratenden Status als NGO bei den Vereinten Nationen. Laut Bundesheer wird jedwede Kooperation mit der Lazarus Union nun beendet werden.

Frage: Inwiefern bestehen Verbindungen zwischen Tag-X-Gruppen und dem Anschlag in Neuseeland?

Antwort: Der mutmaßliche Terrorist Brenton T. postete zwei Tage vor seinem Anschlag Artikel auf Facebook, die von rechtsextremen deutschen Soldaten und dem Fall Franco A. berichteten. Außerdem verwies T. in seinem Manifest auf die große Anzahl nationalistischer Soldaten in europäischen Armeen. Der gebürtige Australier reiste in den Jahren vor dem Anschlag viel durch Europa, auch durch Österreich. Wegen seiner Spende an Identitären-Chef Martin Sellner fand nun eine Hausdurchsuchung bei Letzterem statt. (Fabian Schmid, Laurin Lorenz, 27.3.2019)