An die 400 Opelaner werden das Motoren- und Getriebewerk in Wien-Aspern bald nicht wiedersehen. Sie brauchen neue Arbeitsplätze.

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Guter Arbeitgeber, aber unter den aktuellen Umständen keine Perspektive nach der Lehre." Die Lehrlinge, die am Donnerstag bei Schichtwechsel aus dem Opel-Motorenwerk in Aspern kommen, haben keine Illusionen. "Nach der Lehre sind wir weg", stellt einer aus einer Dreiergruppe trotzig klar.

"Ich hoffe, dass es weitergeht", sagt ein Mitarbeiter, seit 30 Jahren in der Motorenfertigung. Keiner wisse, wie es weitergehe, sagt er resigniert – und überzeugt, "dass es bei den aktuellen Kündigungen nicht bleiben wird. Diesen Eindruck erwecken auch Zulieferer, die zum Werk fahren. "Man spürt und merkt es schon, wenn man ins Werk kommt", sagt ein Mitarbeiter eines Maschinenbaubetriebes, der das frühere General-Motors-Werk seit 14 Jahren beliefert.

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Überraschend kam die Nachricht vom Stellenabbau nicht. Seit Jahren kämpft das 1980 vom US-Autobauer General Motors (GM) errichtete Motorenwerk gegen Auftragsschwund. Der neue Eigentümer PSA Peugeot Citroën hat nur düstere Aussichten für die Opelaner in Wien: Ein Drittel der aus 1150 Arbeitern und rund 200 Angestellten bestehenden Belegschaft verliert den Arbeitsplatz. "Es war klar, dass Mitarbeiter gehen müssen", sagt ein Maschinenführer, 57 Jahre alt, seit 36 Jahren im Werk, seine Stimme klingt bitter. "Dabei ist der Betrieb super, nur die aktuelle Situation ist demotivierend", pflichtet ihm ein Elektrotechniker bei, der seit viereinhalb Jahren im Werk arbeitet, dort seine Ausbildung absolviert hat. "Schade, dass es jetzt so gekommen ist, wir arbeiten weiter, aber mit schlechtem Gefühl."

Verhandlungen bis Ende Apriil

Gefeiert wird im ehemaligen GM-Motorenwerk im 40. Jahr seines Bestehens auf dem früheren Flugfeld Aspern wenn, dann nur in deutlich abgespeckter Form. Gewerkschaft und Betriebsräte verhandeln bis Ende April mit der Geschäftsführung über die Verlängerung des Sozialplans aus dem Vorjahr, sagt Arbeiter-Betriebsratschefin Renate Blauensteiner. Dann wisse man mehr.

Der Grund für den Sparkurs: Modellwechsel vor allem bei Kleinwagen, die durch die anlaufende Produktion von Sechs-Gang-Getrieben für die neue PSA-Produktionsplattform bei Weitem nicht kompensiert werden, um die 1350 Arbeitsplätze dauerhaft zu sichern. Bestellungen für Verbrennungsmotoren, wie sie zuletzt für GM und die von PSA übernommene Opel AG in Rüsselsheim produziert werden, kommen nicht nach.

Weniger Verbrennungsmotoren

Die Opel-Kleinwagen Adam und Karl laufen aus, sie haben unter Peugeot 208 und Opel Corsa keinen Platz in der neuen französisch-deutschen Modellfamilie, sind in der Produktion schlicht zu teuer. Hinzu kommt, dass der Anteil an Verbrennungsmotoren sukzessive sinkt: Bei der Automesse in Frankfurt im September fährt der erste E-Corsa von Opel vor. Für die Wiener Opelaner ist das bitter. Sie haben Lohnverzicht geübt, um den Standort für neue (Konzern-)Aufträge zu attraktivieren. Löhne und Gehälter wurden zweimal um zwei Prozent abgeschmolzen, im Gegenzug sollte Opel-Wien-Generaldirektor Rafal Trojca Aufträge herankarren, um Arbeitsplätze zu sichern. Dieses "Standortsicherungspaket" aus dem Jahr 2015 ist nun Makulatur. Der Betriebsrat pocht auf Vertragstreue und bekämpft die bereits erfolgte erste Lohnabschmelzung mittels Feststellungsklage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien. Wie das Match ausgeht, ist offen.

Von Protestaktionen versprechen sich Blauensteiner und Angestelltenbetriebsrat Franz Fallmann nichts. Man sei in Gesprächen mit der Geschäftsführung.

Neue Produktion ab den Sommermonaten

Das Werk in Wien sei durch den Stellenabbau nicht gefährdet, beruhigt Unternehmenssprecher Christoph Stummvoll: "Die neue Produktion, das ist ein Sechs-Gang-Schaltgetriebe, das für alle Fahrzeuge des Group PSA-Konzerns wird im Sommer starten und sukzessive auf Drei-Schicht-Betrieb hochgefahren werden." Man müsse die Organisation an die neuen Gegebenheiten anpassen, um die Zukunft des Standorts zu sichern, wirbt Opel-Sprecher Lukas Hasselberg um Verständnis.

Die Produktionsgewerkschaft Proge schießt sich auf die Förderpolitik von Stadt Wien und Bund (über die Förderbank AWS) ein: Sie hätten das seit Jahren in Schwierigkeiten steckende Opel-Werk zwar gestützt, die Millionenförderungen aber nicht an Arbeitsplätze, sondern Investitionen und den Fortbestand des Werkes gekoppelt. Die Wiener Wirtschaftsagentur konterte, die Entwicklung eines Sechs-Gang-Getriebes werde mit einer Million Euro unterstützt. Sanktionen gebe es aber nur bei Werksschließung. Wie Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) verweist auch Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) auf die AMS-Förderung. (Julian Giera, Luise Ungerboeck, 27.3.2019)