Das Alte AKH war irgendwann zu klein. Ende des 19. Jahrhunderts stellte sich heraus, dass trotz Modernisierungsmaßnahmen ein zeitgemäßer Krankenhausbetrieb nicht mehr aufrechtzuerhalten war. 1904 fand daher schräg gegenüber die Grundsteinlegung für die "Neuen Kliniken" in der Spitalgasse, Ecke Lazarettgasse durch Kaiser Franz Josef statt. Das Areal erstreckt sich bis zum Gürtel, hier befindet sich auch heute noch das Allgemeine Krankenhaus mit den zwei markanten braun-grauen Klötzen aus den 1980er-Jahren.

Bis 1911 wurde der erste Teil des Areals bebaut. Das Gesamtkonzept sah 20 Pavillons vor, die Fertigstellung wurde durch die beiden Weltkriege jedoch verhindert. Das größte Gebäude war die Klinik Wagner-Jauregg, die 1974 abgerissen wurde. Auf historischen Aufnahmen ist zu sehen, wie grün das Areal des Krankenhauses damals war. Es gab Spazierwege und viele Bäume.

Die I. Medizinische Universitätsklinik steht seit Jahren leer.
Foto: Georg Scherer

Heute wachsen die Bäume zum Teil aus den historischen Pavillons. Einzelne sind noch erhalten, doch ihr Zustand ist schlecht. Zwischen den später errichteten Schwesterntürmen und dem Haupthaus befinden sich die ehemalige I. Medizinische Universitätsklinik und die ehemalige Kinderklinik. Beide Gebäude, deren Pläne vom Historismusarchitekten Emil von Förster stammen, sind baufällig. Nicht nur Wildwuchs macht sich breit, die Fensterscheiben sind zum Teil zerbrochen und Putz bröckelt ab.

Abriss stoppen

Im Gegensatz zu den 1908 eröffneten Frauenkliniken bei der Spitalgasse, wo heute der Hauptteil der Medizinischen Universität Wien untergebracht ist, stehen sie nicht unter Denkmalschutz. Sie sind vom Abriss bedroht, schlagen Denkmalschützer Alarm. Georg Scherer, der sich bei der Initiative Denkmalschutz engagiert, beobachtet den Verfall schon länger. Er appelliert in seinem Blog wienschauen.at an die Stadt, die Abrisspläne zu stoppen.

Ringstraßenarchitekt Emil von Förster entwarf die Fassade der I. Medizinischen Klinik. Man sieht den Verfall.
Foto: Georg Scherer

Die rot-grüne Regierung hat jedoch bereits im Flächenwidmungsplan 2012 festgelegt, die beiden "desolaten" und "sich in schlechtem Bauzustand befindlichen" Gebäude abzubrechen. Ein Abbruchansuchen liegt bei der Baupolizei zwar noch nicht vor, erfuhr DER STANDARD. Doch auch das AKH bestätigt die Pläne. "Zur Sicherung des Forschungsstandortes Wien" sei im Jänner 2016 von Bund und Stadt die Neuerrichtung von Forschungsgebäuden auf dem Gelände der ehemaligen Universitätskinderklinik und der ehemaligen I. Medizinischen Universitätsklinik beschlossen worden, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Diese außer Betrieb genommenen Gebäude entsprächen den klinischen Anforderungen eines Krankenhausbetriebes und auch den zukünftigen Anforderungen einer Forschungsinfrastruktur nicht mehr. Außerdem lägen laut Bundesdenkmalamt die Anforderungen für schützenswerte Gebäude nicht vor, so die AKH-Sprecherin. Der Zeitpunkt für die Abbrucharbeiten stehe noch nicht fest.

Die vom Abbruch bedrohten Bauten befinden sich zwischen den Schwesterntürmen (Vordergrund) und dem Hauptgebäude (hinten).
Foto: APA/Fohringer

Doch nicht nur das Bundesdenkmalamt könnte den Abbruch verhindern. Damit Gebäude, die vor 1945 errichtet wurden, nicht willkürlich abgerissen werden, gab es 2018 eine Gesetzesänderung in Wien, wonach entsprechende Abbrüche genehmigt werden müssen. Auch die historischen Kliniken fallen unter dieses Gesetz. Eine Abbruchgenehmigung kann laut Paragraf 60 Absatz 1 der Bauordnung dann erfolgen, wenn der "Bauzustand derart schlecht ist, dass die Instandsetzung technisch unmöglich ist oder nur durch wirtschaftlich unzumutbare Aufwendungen bewirkt werden kann".

Erhaltungspflicht nicht nachgekommen?

Es steht der Vorwurf im Raum, dass die Kliniken abbruchreif gemacht wurden. Sprich: Das AKH sei der Erhaltungspflicht nicht nachgekommen. Die Bauordnung sieht eine solche vor: "Der Eigentümer hat dafür zu sorgen, dass die Bauwerke in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden."

Die Stadtregierung strebt an sich den Erhalt historischer Bauten an.
Foto: Georg Scherer

Bei der Baupolizei (MA 37) gingen entsprechende Anzeigen ein, bestätigt der Leiter Gerhard Cech. "Es müssen Sicherungsmaßnahmen getroffen werden", hält er fest. Man sei im Austausch mit dem AKH. Die Bausubstanz der betroffenen Kliniken dürfe sich nicht verschlechtern. Auf die Frage des STANDARD, was in der Vergangenheit getan wurde und aktuell unternommen wird, um der Erhaltungspflicht nachzukommen, heißt es seitens des AKH lapidar: Die Gebäude "werden im Rahmen der Technischen Betriebsführung den gültigen rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend erhalten". (Rosa Winkler-Hermaden, 29.3.2019)