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Die Deutsche Pamela Reif bewirbt vor ihren 4,1 Millionen Fans ihr Fitnessprogramm "Pamstrong".

Foto: Frank P. Wartenberg / Picture Press / picturedesk.com

Nirgends ist die Welt so perfekt wie auf Instagram. Auf der Social-Media-Plattform gibt es Millionen Fotos: von Sonnenuntergängen, Smoothie-Bowls – und vor allem von perfekten Körpern. Unter dem Hashtag #fitspo – einer Kombination der Wörter Fitness und Inspiration – kann man sich durch 65 Millionen Fotos scrollen, auf denen Waschbrettbäuche, geflexte Oberarme und stahlharte Hinterteile in die Kamera gereckt werden.

Längst hat eine Armada an Fitnesstrainerinnen Instagram als Geschäftsfeld entdeckt. Die Australierin Kayla Itsines ist die derzeit bekannteste von ihnen. 11,3 Millionen Menschen folgen ihr auf Instagram. Die 27-Jährige bietet mit ihrem "Bikini Body Guide" ein zwölfwöchiges Trainings- und Ernährungsprogramm an – und promotet es durch Vorher-nachher-Fotos ihrer Followerinnen auf Instagram.

20 Dollar im Monat

Das Prinzip hinter den Fotos: Dort, wo zuvor Hüftspeck zu sehen ist, sind nach einigen Wochen Schinderei Anzeichen eines Sixpacks erkennbar. "Congratulations", schreibt Itsines – ein Ritterschlag für jeden Fan. Und, so die Logik, der Beweis, dass das Fitnessprogramm, das aus hochintensiven Einheiten besteht (siehe unten), wirkt. Gratis ist es nicht: Es kostet monatlich 20 Dollar.

Viele Fitness-Personalities setzen auf Instagram: Sie teilen kurze Fitness-Videos, zeigen Fotos ihrer perfekten Körper, die als Testimonials herhalten – und garnieren das mit mehr oder weniger tiefgründigen Gedanken. Promi-Fitnesstrainerin Tracy Anderson (siehe unten) serviert ihren Followern unter einem Schwarz-Weiß-Foto mit erschreckend tiefsitzender Bikinhose auch einmal ein Zitat des Poeten Rumi: "The wound is where the light enters."

Die Australierin Kayla Itsines hat 11,3 Millionen Follower auf Instagram und bietet mit dem Bikini Body Guide einen zwölfwöchigen Trainings- und Ernährungsplan an. Zentral sind drei 28-minütige hochintensive Zirkeltrainings pro Woche, die jeweils auf unterschiedliche Muskelgruppen fokussieren. Übungen: Planks, Sprünge und Push-ups.

Bewertung: "Die Workouts sind sehr intensiv", urteilt Sportwissenschafter Michael Koller – und befürchtet Überlastungen bei untrainierten und möglicherweise übergewichtigen Frauen, die sich über die Sprünge trauen. "Über kurze Zeit" würde das Workout aber sicher Effekte zeigen.

Intensives Programm

Michael Koller, Sportwissenschafter bei der Sportordination in Wien, findet an solchen Workouts grundsätzlich nichts auszusetzen. Um möglichst schnell fototaugliche Resultate zu erzielen, seien sie aber größtenteils hochintensiv gestaltet: Anfänger kommen ordentlich ins Schwitzen. Problematischer findet er, dass die Trainings meist zeitlich auf wenige Wochen begrenzt sind.

Weil: Was dann? Davon, mit dem Training wieder von vorn zu beginnen, rät er ab, weil Überlastungen drohen. "Diese Workouts versprechen etwas, was langfristig sehr schwer zu halten ist", kritisiert Koller daher – und sieht Parallelen zur Brigitte-Diät, mit der man zwar ab-, danach aber auch wieder zunahm.

Koller kritisiert auch, dass auf Instagram nur mit Schönheitsidealen gearbeitet wird. Aktuell gilt "definiert" zu sein als das Nonplusultra. Soll heißen: Die Muckis soll man sehen, schlank muss man aber auch sein. "Auf Instagram wird nicht mit Gesundheit oder Wohlbefinden argumentiert, worum es beim Sport gehen sollte", so Koller. Sinnvoller als Vorher-nachher-Fotos fände er Berichte von Menschen, die durch ihr Training mit Stress im Alltag besser umgehen können.

Tracy Anderson hat 430.000 Instagram-Follower. Sie hat ein Imperium mit ihrem Streaming-Programm aufgebaut. Sie verkauft einen Mix aus Aerobic und Krafttraining, bei dem geringe Gewichte verwendet werden, um keine großen Muckis aufzubauen. Ziel: wie eine Ballerina ausschauen.

Bewertung: Der Experte ist skeptisch: Statt große Muskeln aufzubauen, die für einen aktiven Stoffwechsel und ein gesundes Altern wichtig sind, setzt Anderson auf das Training der Hilfsmuskeln und eine Reduktion des Muskelvolumens bzw. des Körperfetts. Abnehmen und gleichzeitig Muskeln aufbauen ist aber nicht möglich, betont Michael Koller.

Das fehlt auch bei der deutschen Influencerin Pamela Reif (4,1 Millionen Follower). Sie hat mit "Pamstrong" einen zwölfwöchigen Fitness- und Ernährungsplan im Angebot, dürfte derzeit aber andere Sorgen haben: Vor kurzem wurde sie für Schleichwerbung auf Instagram verurteilt.

Ungekennzeichnete Werbung

Damit ist sie nicht allein. Native Advertising, das Verbreiten von ungekennzeichneter Werbung, zieht sich über die gesamte Influencer-Branche. Viele zeigen Produkte, deren Hersteller Geld für die Erwähnung gezahlt haben. In Österreich sind Betreiber größerer Youtube-Kanäle mit "fernsehähnlichen" Inhalten dazu verpflichtet, sich bei der Medienbehörde Komm Austria anzumelden und sich an Werberichtlinien, wo Schleichwerbung verboten wird, zu halten. Jedoch ist es kaum möglich, einen Überblick zu behalten. Daher wird auf Nutzer-Beschwerden gesetzt. Bei Accounts wie Instagram-Konten, die nur Fotos verbreiten und nicht in die Zuständigkeit der RTR fallen, muss die Bezirksverwaltungsbehörde, in Wien die Landespolizeidirektion eingeschaltet werden.

Pamela Reif verspricht ihren 4,1 Millionen Instagram-Followern mit ihrem zwölfwöchigen Fitness- und Ernährungsprogramm einen definierteren Körper, mehr Ausdauer und vor allem Kraft. Viermal pro Woche werden für eine Stunde einzelne Muskelgruppen an Geräten bearbeitet.

Bewertung: Die Kombi aus Training und richtiger Ernährung findet Sportwissenschafter Koller gut: Erst muss Muskulatur aufgebaut werden, damit der Stoffwechsel aktiver wird, dann reduziert sich das Gewicht. Reifs Hinweis, dass es anfangs sogar zu einer Gewichtszunahme kommen kann, findet er wichtig, da viele Frauen immer noch auf die Waage fixiert seien.

Auch sonst ist in der Fitfluencer-Blase nicht alles so perfekt, wie es scheint. Wer sich davon überzeugen möchte, braucht nur auf dem bekannten sozialen Netzwerk Reddit das Forum "Instagramreality" aufsuchen. Dort stellen Nutzer die für soziale Medien aufgehübschten Bilder der Realität gegenüber. Oft werden die Schnappschüsse nämlich im Vorfeld massiv bearbeitet. In Adobe Photoshop gibt es den Filter "Verflüssigen", mit dem es möglich ist, perfekte Körper digital zu schmieden – ganz ohne Schweiß. Dazu kommen Filter zur Hautglättung, zum Entfernen von Pickeln und Farbanpassungen.

Richtige Pose

Doch auch ganz ohne digitale Tricksereien lässt sich die Realität anders darstellen – etwa durch die Wahl der richtigen Pose: Lassen Sie sich zweimal fotografieren. Einmal so, wie Sie normalerweise stehen, dann mit zusammengepressten Schulterblättern, nach vorn gedrückter Brust und angespannten Muskeln. Dazu kommt noch günstiges Licht und der Winkel, aus dem das Foto geschossen wird – und schon sieht man selbst (fast) aus wie ein Fitness-Supermodel. Das wird genutzt, um bei Vorher-nachher-Fotos einen vermeintlichen Erfolg zu zeigen, wobei bei den "Vorher"-Fotos auch gerne einmal bewusst eine schlechtere Haltung eingenommen wird.

Trotzdem findet Sportwissenschafter Koller den Fitness-Hype positiv: Er hofft, dass dadurch mehr Menschen auf den Geschmack kommen. Wer noch #fitspo braucht: Auf Youtube gibt es viele Gratis-Workout-Videos. Oder einfach laufen gehen. Dann bleibt aber weniger Zeit für Instagram. (muz, zof, 31.3.2019)