Nicola Werdenigg wurde von weiteren mutmaßlichen Opfern kontaktiert.

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Linz – Nach Missbrauchsvorwürfen gegen einen ehemaligen oberösterreichischen Langlauftrainer dürfte sich die Zahl möglicher Betroffener weiter erhöhen. Am Donnerstag trat die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg in Linz vor die Presse und berichtete von deutlich mehr Opfern als den bislang fünf kolportierten Fällen.

Sie gehe davon aus, dass dies erst die Spitze des Eisbergs sei. "Zumindest gehört habe ich über Insider von bis zu zwanzig Opfern", erläutert die einstige ÖSV-Sportlerin. Nachsatz: "Nehmen Sie sechs, und Sie können die Hand dafür ins Feuer legen." Werdenigg betreibt die Anlaufstelle wetogether.eu, ihr "Institut zur Prävention von Machtmissbrauch im Sport". Mitte März brachte eine ehemalige oberösterreichische Nachwuchslangläuferin den Fall ins Rollen, sie erhob öffentlich Missbrauchsvorwürfe gegen ihren damaligen Trainer. Wenige Tage später folgte das nächste Outing einer Betroffenen.

Übergriffe im Doppelbett

In beiden Fällen berichteten die jungen Frauen, sie hätten sich bei Sportveranstaltungen – angeblich mangels eines anderen freien Zimmers – mit einem rund doppelt so alten Trainer ein Doppelbett teilen müssen. Dort sei es zu Übergriffen gekommen. Zuletzt war von fünf möglichen Betroffenen die Rede.

Bereits im November soll es eine erste Meldung einer Betroffenen an die Sport-Union und an die von Waltraud Klasnic geführte Kommission im österreichischen Skiverband (ÖSV) gegeben haben. Die Beurlaubung des zu diesem Zeitpunkt im Heeressportleistungszentrum im Olympiazentrum Linz tätigen Trainers erfolgte dann überhaupt erst heuer im März. Zudem wurde der Beschuldigte nach Wien versetzt.

In diesem Zusammenhang steigt jetzt auch der politische Druck auf Oberösterreichs Sportlandesrat Markus Achleitner (ÖVP). Dieser habe "viel zu spät" und "entschieden zu lasch" reagiert, kritisiert SPÖ-Sportsprecher Michael Lindner. Achleitner wies den Vorwurf am Donnerstagnachmittag zurück.

Roter Appell

Konkret fordert die SPÖ eine unabhängige Expertenkommission zur Klärung der Vorfälle. Lindner: "Die Zeit des Drüberschwindelns ist jetzt vorbei. Das Beispiel Tirol hat gezeigt, dass es bei solchen Taten eine fundierte Analyse braucht. Die vom zuständigen Landesrat Achleitner eingerichtete Hotline ist garantiert nicht genug." Besetzt werden soll die Kommission mit Fachleuten aus den Bereichen Justiz, Sport und Gewaltschutz. Und der rote Sportsprecher appelliert an die anderen Fraktionen, bei der Landtagssitzung am 11. April einen gemeinsamen Antrag einzubringen.

In Oberösterreich könne "etwas Richtungsweisendes" geschehen, "wenn man politisch überparteilich Betroffene in den Vordergrund stellt und nicht irgendwelche Strukturen schützt", hofft Werdenigg. Denn Meldestellen in den Strukturen selbst anzusiedeln "ist ein Fehler, der in der Kirche angefangen hat und beim ÖSV fortgesetzt wurde". (Markus Rohrhofer, 29.3.2019)