Zwei, die sich verstehen: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Andrea Nahles (SPD) liegen höchstens politisch über Kreuz.

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So läuft es, wenn die Chefin renitent ist. Ihre Strategen hätten ihr gesagt, es wäre gut, wenn Friedrich Merz CDU-Vorsitzender wird, erzählt SPD-Chefin Andrea Nahles und lächelt ein bisschen listig. Denn am konservativen Merz könnte sich die SPD ja viel besser abarbeiten.

Aber dann wurde bekanntlich Annegret Kramp-Karrenbauer neue CDU-Chefin. "Ich habe mich gefreut, von Frau zu Frau", sagt Nahles. Und auch Kramp-Karrenbauer erinnert sich wohlwollend an die Wahl von Nahles zur ersten SPD-Chefin: "Ich freue mich über jede Frau, die dazukommt."

Als diese Sätze in Berlin bei einer Diskussion der Bertelsmann-Stiftung fallen, sitzen die beiden Parteichefinnen erst wenige Minuten nebeneinander auf der Bühne. Doch es ist schon zu diesem frühen Zeitpunkt klar: Die beiden können gut miteinander.

Kein Parlamentsmitglied

Gelegenheit, sich darüber ein Bild zu machen, gab es bisher nicht. "AKK" und Nahles haben einander schon im Koalitionsausschuss getroffen, aber der findet hinter verschlossenen Türen statt. Im Bundestag fallen Duelle aus, da Kramp-Karrenbauer nicht Mitglied des Parlaments ist. In der Regierung sitzt weder Nahles noch die CDU-Chefin.

Dementsprechend groß ist das Interesse am ersten öffentlichen Aufeinandertreffen der beiden. Und die Einigkeit wird dort nicht nur als Horsd'oeuvre serviert. Beide erzählen unisono, wie sehr es ihnen auf die Nerven gehe, dass Frauen in politischen Spitzenämtern immer noch weniger zugetraut werde als Männern.

Kann die das? So laute die Frage an Frauen, klagt Nahles und findet es "ziemlich albern". Denn: "Die Jungs" würde man das nie fragen. Kramp-Karrenbauer hat mittlerweile ein "Lieblingsunwort", nämlich: "Lernkurve". Ihr werde von Männern oft attestiert, dass sie eine enorme "Lernkurve" hingelegt habe – ganz so, als habe Kramp-Karrenbauer vor ihrem Antritt als CDU-Chefin noch keine politische Arbeit geleistet. "Das nervt mich", sagt sie. "Jo, geht mir auch so", stimmt Nahles zu.

Eine Frau rettet keine Partei

Einig sind sich die beiden in einem weiteren Punkt. Sie mögen den Titel der Veranstaltung nicht. "Retten diese Frauen die Volksparteien?", lautet er. Einhellige Meinung: Niemals könne eine Frau allein eine Partei retten.

Das Fazit dazu, warum sowohl CDU und SPD in Umfragen schwächeln, fällt auch ähnlich aus. Sowohl Kramp-Karrenbauer als auch Nahles erklären, ihre Parteien hätten in der Vergangenheit Fehler gemacht. Kramp-Karrenbauer nutzt dies gleich für eine weitere Distanzierung zu ihrer Vorgängerin Angela Merkel, deren Name überhaupt erst nach 48 Minuten zum ersten Mal fällt.

Unter deren Ägide sei in der CDU die programmatische Arbeit zu kurz gekommen, viele Themen habe man vor allem "durch die Brille der Regierungspartei" gesehen. Auf ihrer "Zuhör-Tour" habe sie von frustrierten CDU-Mitgliedern immer wieder gehört: "Wir sind aus dem Fokus geraten."

Staat entgleitet Kontrolle

Nahles räumt ein, dass "wir Leute enttäuscht haben, was die Bewältigung der Globalisierung angeht". Schon vor der Flüchtlingskrise hätten viele Menschen das Gefühl gehabt, dem Staat sei die Kontrolle entglitten – etwa bei der "gerechten Besteuerung" von global agierenden Unternehmen.

Beide wissen, dass ihnen gerade vor den drei Landtagswahlen im Osten (Sachsen, Brandenburg, Thüringen – alle im Herbst 2019) viel Überzeugungsarbeit bevorsteht. Und da entdeckt Nahles noch eine Gemeinsamkeit: Weder sie noch die CDU-Chefin stammen aus dem Osten, sondern aus dem Südwesten Deutschlands.

"Wir irritieren beide regelmäßig durch Karnevalsauftritte die Republik", feixt die SPD-Chefin unter Gelächter des Publikums. Jüngst hatte sich "AKK" mit einem Witz über Unisextoiletten Kritik eingefangen, Nahles wurde verspottet, weil sie laut "Humba jumba humba täterä" sang. Doch darüber wollen die beiden Frauen – auch einhellig – an diesem Abend lieber nicht sprechen. (Birgit Baumann aus Berlin, 28.3.2019)