"Die Anzahl der Patienten, die ich behandeln darf, ist limitiert. Manchmal stresst mich der Blick auf die Warteliste, denn sie ist lang, und die Patienten, die warten müssen, tun mir sehr leid", sagt eine Logopädin.

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Die Logopädie wird als Beruf oft nicht ernst genommen, da heißt es: 'Das sind die, die eh nur mit den Kindern spielen.' Natürlich arbeiten wir mit Kindern spielerisch, aber das ist eine sehr wirkungsvolle Therapie. Viele wissen gar nicht, was alles zur Logopädie gehört. Die meisten denken dabei an Kinder mit Sprachfehlern.

Wir machen aber auch Stimmtherapie bei Menschen in Sprechberufen, unterstützen Neugeborene mit Saugschwierigkeiten, machen die Hörtests im Spital oder behandeln Patienten mit organischen Veränderungen am Stimmapparat, dazu gehören etwa Kehlkopfkrebs oder Stimmlippenlähmungen. Auch Schlaganfallpatienten benötigen die Unterstützung von Logopäden. Ihnen fällt oft nicht nur das Sprechen schwer, sondern auch das Schlucken – je nachdem, wo die Blutung im Gehirn war.

Im Gesicht herumdrücken

Viele Schlaganfallpatienten haben auch mit dem Sprachverständnis Probleme. Sie können zwar die Laute gut bilden, was sie sagen, ergibt aber keinen Sinn, sie haben Wortfindungsstörungen oder produzieren neue Wörter, die es gar nicht gibt. Bei wieder anderen Patienten ist die Bewegungsplanung so gestört, dass sie keine Laute von sich geben können. Die meisten Patienten sind sehr dankbar, aber immer wieder gibt es auch welche, die uns nicht ernst nehmen. Einmal hat mich einer hinausgeschmissen und gesagt, im Gesicht herumdrücken könne er sich selbst auch, dazu brauche er mich nicht.

An drei Tagen pro Woche bin ich in einem Ambulatorium angestellt, für insgesamt 25 Stunden. An den zwei anderen Tagen habe ich als selbstständige Logopädin Patiententermine in meiner Praxis oder mache Hausbesuche, dafür habe ich einen halben Vertrag mit der Krankenkasse. Das sind pro Woche zwölf Patientenstunden. Dazu kommt die Vor- und Nachbereitung, insgesamt komme ich dadurch oft auf mehr als 40 Stunden pro Woche.

Ein kleiner Stupser

Dass ich Logopädin werden will, wusste ich schon in der Schule. Gleich nach der Matura habe ich mich an zwei Fachhochschulen beworben – und habe keinen Platz bekommen. Nach einem freiwilligen sozialen Jahr habe ich es wieder versucht und bin angenommen worden. 350 Bewerber gab es damals für nur 20 Plätze.

Was den Job für mich so spannend, manchmal aber auch anstrengend macht, ist die Arbeit mit Menschen. Was mir noch gefällt: Besonders bei den Kindern sieht man sehr stark, dass etwas weitergeht. Ihnen muss man oft nur einen kleinen Stupser geben, dann können sie selbst ganz viel weiterentwickeln.

Doch nicht alles ist gut. Im Sozialbereich generell und vor allem in der Logopädie arbeiten großteils Frauen. Das ist nicht prinzipiell schlecht, aber vermutlich gibt es deshalb fast nur Teilzeitstellen. Finanziell gesehen, wenn man sich etwas aufbauen oder eine Familie gründen will, ist das sehr schwierig. Die meisten sind deshalb, wie ich, Teilzeit angestellt und haben nebenher eine private Praxis oder einen Vertrag mit einer Krankenkasse.

Eltern "mitbehandeln"

85 Prozent meiner Patienten sind Kinder. Bei der Arbeit mit jungen Patienten muss man die Eltern meist "mitbehandeln". Gerade wenn es um schwere Erkrankungen geht, fällt den Eltern die Diagnoseverarbeitung extrem schwer. Im Ambulatorium gibt es dafür zum Glück verschiedene Disziplinen, etwa Psychotherapie. Für meine Patienten in der Selbstständigkeit gibt es diese Elternberatung nicht, eine zusätzliche Therapie ist für die Eltern oft nicht leistbar, weil sie alles privat bezahlen müssen.

Hinzu kommen Fälle, wie ich etwa heute einen erlebt habe: Ein Vater ruft mich an und erzählt, sein Sohn werde nächste Woche drei Jahre alt und spräche noch gar nicht. Ich würde ihn am liebsten sofort drannehmen, das kann ich aber nicht, weil ich keine freien Kassenstellen mehr habe. Auch meine Kollegen sind alle überfüllt. In manchen Bezirken in Österreich gibt es nur einen Kassenvertrag, das ist viel zu wenig. Eltern, die es sich leisten können, zahlen Logopädie daher privat. In Wien gibt es genug private Logopäden, auf dem Land sieht es ganz anders auch. Dazu kommt, dass viele Logopäden auch gar keinen Kassenvertrag wollen, weil sie privat mehr verdienen.

Lange Warteliste

Bei der Krankenkasse stehe ich auf einer Warteliste für mehr Stunden. Ich habe aktuell einen halben Vertrag und damit eine Obergrenze, also einen Betrag, den ich jährlich höchstens mit der Kasse abrechnen darf. Die Anzahl der Patienten, die ich behandeln darf, ist somit limitiert. Manchmal stresst mich der Blick auf die Warteliste, sie ist lang, und die Patienten, die warten müssen, tun mir sehr leid.

Für neurologische Patienten, bei denen ich Hausbesuche mache, bekomme ich einen Zuschlag für die Fahrkosten. Alle diese Ausgaben und Kosten muss ich immer im Blick behalten. So weiß ich, wie viele Patienten ich mit meinem halben Vertrag behandeln darf. Ganze Verträge geben die Kassen nicht so gerne her, weil es damit nach oben hin kein Limit gibt, wie viele Patienten man als Logopädin höchstens behandeln darf. Deshalb kann die Kasse damit auch nicht so gut kalkulieren. Der Nachteil für uns: Von einem halben Vertrag allein kann niemand leben.

Schlimme Diagnosen

Der Job ist aber auch emotional stressig, ich höre viele Schicksale von Patienten und schlimme Diagnosen. Oft ist klar, dass ein Patient in ein paar Monaten oder Jahren sterben wird, noch dazu auf keine schöne Weise. Als Logopädin muss ich dann langsam beobachten, wie diese Menschen nach und nach abbauen. Bei degenerativen Erkrankungen geht es oft nur um Funktionserhaltung.

Nicht alle meine Kolleginnen wollen diese schwierigen Hausbesuche machen. Ich glaube aber, dass für Patienten mit Parkinson oder multipler Sklerose diese Besuche auf Kasse finanziell eine große Erleichterung sind. Sie brauchen oft auch Physiotherapie, Ergotherapie etc. Müssten die Patienten das alles privat bezahlen, käme schnell ein großer Betrag zusammen. Ich könnte das mit mir nicht vereinbaren, solche Hausbesuche nicht zu machen. (Bernadette Redl, 30.3.2019)