Sie war 16, als sie vor fünf Jahren nach Syrien reiste und sich der Terrorgruppe "Islamischer Staat" anschloss. Die Wienerin bekam mit einem IS-Kämpfer ein Kind. Der Bub ist heute eineinhalb Jahre alt, Mutter und Sohn sitzen mittlerweile in einem kurdischen Gefangenenlager fest.

Nun will die Frau mit ihrem Kind zurückkehren. Das Außenministerium bestätigte, dass in einem Fall ein Rückholwunsch geprüft wird, obwohl Österreich (wie auch viele andere EU-Staaten) jene Staatsbürger, die in den Jihad zogen, eigentlich nicht mehr zurückhaben will. Bei der Prüfung dürfte es sich um jenen eineinhalbjährigen Buben handeln.

Viele IS-Unterstützerinnen befinden sich mit ihren Kindern in kurdischer Gefangenschaft: eine Szene aus dem Al-Hol-Camp.
Foto: BULENT KILIC / AFP

Der Fall wirft Fragen auf: Was passiert mit Kindern von IS-Kämpfern? Wie geht man mit ihnen um, wenn sie wieder in Österreich sind? Und wie viele Fälle gibt es überhaupt?

Etwa 100 IS-Anhänger aus Österreich dürften sich laut Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) noch in Syrien und dem Irak befinden. Rund 30 Personen davon seien österreichische Staatsbürger. Über die Anzahl der in den Jihad-Gebieten auf die Welt gekommenen Kinder liegen dem BVT "keine gesicherten Information vor".

Der Politikwissenschafter Thomas Schmidinger hat die kurdischen Camps besucht. Er spricht von sechs Kindern, drei Frauen und einem Mann aus Österreich, die sich derzeit im Gewahrsam der syrisch-demokratischen Kräfte befinden. Die Zustände in den Lagern unterscheiden sich zwar, am Ende sei es "kein schönes Leben dort", so Schmidinger. Vor allem für die Schwächsten sind die Zustände prekär: In Camp Al-Hol starben Kinder mangels Medikamenten an einfachen Krankheiten oder an Unterernährung.

Wie Abnahmen ablaufen

Könnten nur die Kinder – ohne ihre Mütter – nach Österreich geholt werden? Experten, die mit den Müttern und ihren Familien gesprochen haben, halten dieses Szenario gegenüber dem STANDARD für nicht realistisch. Zum einen würden die Mütter ihre Kinder nicht freiwillig hergeben. Dazu stimmen die Kurden nur "Paketlösungen", also der gemeinsamen Rückführung von Kindern und Eltern zu, um nicht auf den harten Fällen sitzenzubleiben.

Normalerweise kann ein Kind den Eltern erst dann abgenommen werden, wenn eine mögliche Gefährdung besteht. Ob das der Fall ist, wird von Sozialarbeitern eingeschätzt. Wichtig ist dafür vor allem das Gespräch mit den Kindern selbst. Eine Gefährdung liegt dann vor, wenn es zu körperlichen oder psychischen Misshandlungen oder einer Vernachlässigung gekommen ist. Geprüft wird aber auch, ob Kinder zu etwas gezwungen oder von anderen Kindern isoliert werden. Dieses Prozedere würde die Frau und ihren Sohn in Österreich erwarten.

Ist eine Trennung unvermeidlich, wird zunächst überprüft, ob es geeignete Verwandte gibt, die das Kind versorgen können. Wenn nicht, bleiben die Einrichtungen der Stadt. Im schlimmsten Fall wird das Pflegschaftsgericht einbezogen, um Schritte wie den Sorgerechtsentzug einzuleiten. Die Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft hat mit zwei Müttern, die in Syrien festsitzen, Kontakt. "Die Bundesregierung muss endlich einen Beschluss fassen, wie und ob sie die Leute rausholen", sagt Kinderanwalt Ercan Nik Nafs.

Vorkehrungen für Rückkehr

Sind die Kinder einmal in Österreich, wäre es nicht das erste Mal, dass ein entsprechendes Prozedere in Gang gesetzt würde: In Graz wurden 2016 zwei österreichische Ehepaare verhaftet, die zwei Jahre zuvor mit acht Kindern nach Syrien ausgereist waren. Hier wurde verfahren, wie in anderen Krisenfällen auch: Die Trennung der Geschwister wurde vermieden. Drei kamen in einer Pflegefamilie unter, fünf Brüder und Schwestern bei einer Tante, dazu wurden Psychologen eingesetzt.

Die Kinder berichteten vom Horror in Syrien, ein Achtjähriger musste etwa eine Hinrichtung mitansehen. Ihre Eltern wurden nicht nur wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, sondern auch wegen Quälens und Vernachlässigung von Kindern verurteilt. Wie viele Kindesabnahmen es insgesamt in diesem Zusammenhang gab, ist unklar: Sowohl Innen- als auch Jugendministerium verweisen darauf, dass die Kinder- und Jugendhilfe Ländersache ist. Einen bundesweiten Überblick gibt es nicht.

Damit es nicht zu einer ungeordneten Rückkehr kommt, plädieren Experten dafür, jetzt Vorkehrungen zu treffen. Nur so könne man Maßnahmen einleiten: Die Kinder müssen medizinisch versorgt, das Jugendamt eingeschaltet, Deradikalisierungsprogramme gestartet werden. (Lara Hagen, Vanessa Gaigg, 31.3.2019)