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Bürgerrechtlerin Zuzana Čaputová wird klar vor dem parteilosen Europapolitiker Maros Šefčovič favorisiert

Foto: Reuters/Radovan Stoklasa

Bratislava – In der Slowakei hat am Samstag um 7:00 Uhr die Präsidentschafts-Stichwahl begonnen. Mehr als vier Millionen Wähler bestimmen ihren neuen Präsidenten für eine fünfjährige Amtszeit. Das Staatsoberhaupt wird seit der Einführung der Direktwahl 1999 zum fünften Mal vom Volk selbst gewählt.

Erste Runde ging an Čaputová

Keiner der insgesamt 13 Präsidentschaftskandidaten hatte in der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen die notwendige Stimmenmehrheit erlangt. In der Stichwahl stehen sich die zwei bestplatzierten des ersten Durchgangs gegenüber. Dabei wird die liberale Anwältin und Bürgerrechtlerin Zuzana Čaputová klar vor dem parteilosen Europapolitiker Maros Šefčovič favorisiert. Die überwiegend konservativ und christlich geprägte Slowakei könnte zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Frau zur Präsidentin wählen.

Čaputová , Kandidatin der neugegründeten politischen Partei Progressive Slowakei (PS), hatte erst vor der ersten Abstimmung überraschenden Wählerzulauf verzeichnet. Als absoluter Politneuling gilt sie als unbelastet von den Korruptionsskandalen und Mafia-Praktiken im Land, gegen die sich weite Teile der Bevölkerung nach der Ermordung des Investigativ-Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten vor über einem Jahr auflehnten. Viele sehen die junge Liberale als Symbol des ersehnten politischen Neustarts.

Im ersten Wahldurchgang vor zwei Woche kam Čaputová auf rund 40 Prozent der Stimmen, um über 20 Prozent mehr als ihr Gegenkandidat. Laut Beobachtern ist ein derartiger Vorsprung kaum noch einzuholen. EU-Kommissar Šefčovič müsste seinen Stimmenanteil mehr als verdoppeln, um überhaupt zu Čaputová aufzuholen.

Regierungspartei unterstützt Šefčovič

Der renommierte Karrierediplomat ist in der Slowakei selbst weniger bekannt als im Ausland. Er tritt als parteiloser Kandidat an, wird aber unterstützt von der skandalbelasteten sozialdemokratischen Regierungspartei Smer von Robert Fico. Weite Teile der Bevölkerung sehen diese als hauptverantwortlich für die Missstände, die bis zum Mord am Aufdeckreporter geführt hatten.

Šefčovič ist vielmehr als Čaputová auf die Mobilisierung der Nichtwähler und Stimmen der Anhänger durchgefallener Kandidaten der ersten Wahlrunde angewiesen. Gut ein Viertel der Beteiligten hatten für rechtskonservative und rechtsextreme Bewerber gestimmt. Für sie dürften beide Finalisten mit ihrer eindeutig proeuropäischen und prowestlichen Ausrichtung kaum annehmbar sein.

Einfluss des Kuciak-Mordes

Die Stichwahl dürfte andeuten, welchen Kurs die nach dem Kuciak-Mord politisch und gesellschaftlich tief angeschlagene Slowakei einschlagen wird. Und es wird sich auch zeigen, ob die konservative Prägung und der Einfluss der Kirche nachlassen. Vor dem ersten Durchgang hatten sich einige kirchliche Würdenträger offen gegen die geschiedene Liberalpolitikerin Čaputová ausgesprochen.

Die Wahllokale sind noch bis 22:00 Uhr geöffnet, ein erstes relevantes Ergebnis dürfte am frühen Sonntagmorgen vorliegen. (APA, 30.3.2019)