Anhänger der sozialdemokratischen CHP in Ankara.

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Erdoğan gestand Niederlagen in einigen Städten ein und fügte an, dass man das in Demokratien akzeptieren müsse.

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Rund 57 Millionen Türken konnten am Sonntag Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker wählen.

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Erdoğan rührte im Vorfeld bereits kräftig die Werbetrommel.

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Wählerinnen und Wähler in Ankara vor dem Urnengang.

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Ankaras Bürgermeisterkandidat Mansur Yavaş bei der Stimmabgabe.

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AK-Bürgermeisterkandidat Binali Yıldırım bei einer Rede in Istanbul.

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Ankara/Istanbul – Bei den Kommunalwahlen in der Türkei haben gleich zwei Kandidaten den Sieg in Istanbul beansprucht. "Wir haben in Istanbul gewonnen. Ich danke den Einwohnern von Istanbul für das Mandat, das sie mir übertragen haben", sagte Ex-Ministerpräsident und AKP-Kandidat Binali Yıldırım am Sonntagabend vor jubelnden Anhängern.

Laut der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu lag er nach Auszählung von 98 Prozent der Wahlzettel wenige tausend Stimmen oder 0,2 Prozentpunkte vor dem Oppositionskandidaten Ekrem İmamoğlu. Dieser lehnte es ab, seine Niederlage einzugestehen. Die Stimmen würden noch gezählt, sagte der Kandidat der sozialdemokratischen CHP. Der Parteivorsitzende der CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, verkündete am späten Sonntagabend gar einen Erfolg der CHP in Istanbul, Ankara und Izmir.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte seine AKP zuvor zum Gewinner der Kommunalwahl erklärt. "Die Ergebnisse zeigen, dass wir aus diesen Wahlen wieder mit großem Vorsprung als erste Partei hervorgegangen sind", sagte er am späten Sonntagabend. Nach Auszählung von vier Fünftel der Stimmen lag die AKP landesweit bei rund 45 Prozent, ähnlich wie bei der Kommunalwahl 2014.

In Erdoğans Äußerungen schwang ungewohnte Selbstkritik mit, als er sagte: "Wir müssen akzeptieren, dass wir da, wo wir gewonnen haben, die Herzen unseres Volkes erobert haben, und da, wo wir verloren haben, nicht erfolgreich genug waren."

Enge Rennen in Ankara und anderen Großstädten

Denn gleichzeitig zeichneten sich Verluste für die AKP in wichtigen Großstädten ab. Ausgerechnet in der Hauptstadt Ankara lag der Oppositionskandidat der Mitte-links-Partei CHP, Mansur Yavaş, nach Teilergebnissen vor dem Kandidaten der AKP. Yavaş führt dort nach rund 75 Prozent ausgezählter Stimmen mit 49,8 Prozent knapp zwei Prozentpunkte vor dem AKP-Rivalen. Der Verlust der Hauptstadt, die seit mehr als 20 Jahren von islamisch-konservativen Bürgermeistern regiert wird, wäre ein herber Schlag für den machtgewohnten Präsidenten und Aufwind für Kritiker.

Enge Rennen gab es auch in anderen wichtigen Großstädten wie Antalya und dem südtürkischen Adana, wo die AKP beziehungsweise ihr Bündnispartner MHP bei der Kommunalwahl 2014 noch gewonnen hatten.

Gewalttätige Zwischenfälle

Überschattet waren die Kommunalwahlen von gewalttätigen Zwischenfällen. In der zentralanatolischen Provinz Malatya wurden am Sonntag zwei Mitglieder der islamistischen Partei der Glückseligkeit (Saadet) erschossen, sagte ein Parteisprecher. Nach Medienberichten wurde ein Verdächtiger festgenommen.

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In einem Wahllokal der Ortschaft Pütürge sei es am Vormittag zu einem Streit zwischen zwei Gruppen gekommen, bei dem zwei Menschen erschossen worden seien, teilte der Gouverneur von Malatya mit. Präsident Erdoğan zeigte sich nach seiner Stimmabgabe erschüttert über den Vorfall und kündigte gründliche Ermittlungen an. Laut dem Präsidialamt rief Erdoğan später den Saadet-Vorsitzenden Temel Karamollaoğlu wegen der Tötungen in Malatya an.

14 Verletzte im kurdischen Osten

Aus der östlichen, mehrheitlich kurdischen Provinz Diyarbakır wurden 14 Verletzte gemeldet, als ein Streit in Gewalt umschlug. Laut der Nachrichtenagentur DHA wurden zwei Menschen schwer verletzt, als die Anhänger zweier Kandidaten für einen Bezirksvorsteherposten in der Kleinstadt Kocaköy mit Gewehren, Stöcken und Messern aufeinander losgingen. In einer anderen Ortschaft der Provinz gab es demnach neun weitere Verletzte bei einem Streit.

In Istanbul wurde nach Polizeiangaben eine Person im Bezirk Kadıköy bei einer Schlägerei mit 15 Beteiligten niedergestochen, als Kandidaten in Streit gerieten. Im ganzen Land sind rund 553.000 Polizisten und Sicherheitsleute im Einsatz, um die Stimmabgaben zu sichern. Erdoğan hatte die Kommunalwahlen zur Frage des Überlebens für sein Land hochstilisiert.

Einflussfaktor Wirtschaftskrise

Es war erwartet worden, dass einige Wähler auf die Wirtschaftskrise in der Türkei reagieren, die auf den Verfall der Landeswährung Lira vom vergangenen Jahr folgt. Erdoğan macht dagegen Angriffe aus dem Westen für die wirtschaftlichen Turbulenzen verantwortlich. Bei einer Wahlkampfkundgebung vor wenigen Tagen sagte er, Ziel der zunehmenden Attacken sei es, der großen und starken Türkei Steine in den Weg zu legen.

Wichtig ist die Kommunalwahl auch für die prokurdische Oppositionspartei HDP, die in vielen Gemeinden des Südostens stärkste Partei ist. Allerdings wurden nach dem Putschversuch vom Juli 2016 gegen Erdoğan zahlreiche Bürgermeister der HDP beziehungsweise ihres regionalen Ablegers DBP wegen angeblicher Verbindungen zur verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) abgesetzt. 95 von 106 HDP-Gemeinden wurden unter Zwangsverwaltung gestellt. Die HDP hofft nun, diese Gemeinden zurückzugewinnen.

Bei Wahlen in der Türkei kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern verschiedener Kandidaten. Während dieses Mal der Wahlkampf relativ friedlich verlief, wurden vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im vergangenen Juni dutzende Angriffe gezählt. Bei einem Streit in der Stadt Suruç gab es damals vier Tote, und am Wahltag selbst wurde ein Lokalpolitiker erschossen. (APA, Reuters, 31.3.2019)