Befürworter des Plans, möglichst alle Menschen, die via Libyen Richtung Europa streben, den Behörden dieses gescheiterten Staates zu überantworten, mögen den Abzug aller EU-Militärschiffe aus den dortigen Gewässern als positiven Schritt sehen. Aus menschenrechtlicher Perspektive jedoch markiert er einen neuen Gipfel der Verantwortungslosigkeit.

Denn welche Eingriffsmöglichkeiten bleiben den EU-Kräften noch, sobald die Antischleppermission Sophia, wie nun beschlossen, auf die Überwachung des Luftraums und das Anleiten der libyschen Kräfte zurechtgestutzt wird? Aus der Vogelperspektive können sie lediglich Hinweise auf Migranten geben, die in manövrierunfähigen oder sinkenden Booten um ihr Leben kämpfen.

Ob dann aus Tripolis rechtzeitig Rettung naht, können sie nicht beeinflussen. Laut Schilderungen der im Mittelmeer inzwischen verfemten NGO-Flüchtlingshelfer ist das Risiko groß, dass die erst im Aufbau befindliche libysche Küstenwache solchen Situationen nicht gewachsen ist. Was tun, wenn sich dann kein einsatzwilliges kommerzielles Containerschiff in der Nähe befindet? Dem Untergehen der Boote tatenlos zusehen?

Um das abzuwenden, braucht es dringend einen neuen, breit aufgestellten EU-Rettungseinsatzplan. Mag sein, dass das vor den Europawahlen völlig unrealistisch ist. Aus den Augen verloren werden darf die Lage vor Libyen nicht. (Irene Brickner, 1.4.2019)