Die Unternehmerin Monika Frisch (48) kann sich nicht erinnern, jemals des Laufens überdrüssig gewesen zu sein: "Ich habe keine Sekunde ein ungutes Gefühl, wenn ich zurückdenke."

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Der 26. Oktober 1983 bot nicht gerade ideale Bedingungen für den Marathonlauf, schon gar nicht auf der brettlebenen Donauinsel. Eisiger Wind prüfte das überschaubare Starterfeld der Staatsmeisterschaften über die klassischen 42,195 Kilometer. Aber das eher bescheidene Event fünf Monate vor dem ersten Wiener Stadtmarathon im Frühjahr 1984 war mit den Siegerehrungen längst nicht erledigt. Denn die neue Meisterin war noch keine 13 Jahre alt. Die Salzburgerin Monika Frisch hatte ihren zweiten Marathonlauf binnen 3:10:03 Stunden einer Erledigung zugeführt und damit für weitaus mehr Diskussionen gesorgt als bei ihrem ersten einschlägigen Rennen einige Wochen zuvor in ihrer engeren Heimat.

"Das hat bei weitem nicht so ein Aufsehen erregt", erinnert sich Monika Frisch (48), die nach ihrem Erfolg auf der Donauinsel schnell als Wunderkind gehandelt worden war. Aber eben auch als Opfer des Ehrgeizes ihrer Eltern, der Mutter Monika, einer AHS-Lehrerin für Sport und Geografie, vor allem aber ihres Vaters, Diplomingenieur Walter Frisch, eines passionierten und extremeren Bergsteigers, der das Laufen als Basistraining für sich und als "Mittel zur Erhaltung der Gesundheit" der Familie entdeckt hatte.

Die Salzburgerin Monika Frisch war laufend ob ihrer Jugend eine Attraktion – auch 1985 beim Gaisberglauf.
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"Er hat die Bücher von Doktor Van Aaken gelesen, des Laufpapstes", sagt Monika Frisch. Der 1984 gestorbene deutsche Mediziner Ernst Van Aaken propagierte den Dauerlauf als Mittel der Prävention und Rehabilitation und setzte sich dafür ein, den Marathonlauf auch für Frauen zu öffnen. Die klassische Langdistanz war schließlich bis weit in die 1960er Männern vorbehalten gewesen. Für Frauen galt deren Bewältigung als höchst ungesund. Und als unweiblich galt der Marathonlauf sowieso. Van Aaken hielt dem die These entgegen, dass Frauen ausdauernder seien als Männer und der Marathon daher geöffnet werden müsse.

Weltweit für Aufsehen sorgte 1967 die Studentin Kathrine Switzer mit ihrer illegalen, auch nicht durch Gewalt seitens des Rennleiters zu verhindernde Teilnahme am Boston-Marathon. Etwa zur gleichen Zeit organisierte Ernst Van Aaken nahe Düsseldorf heimlich Läufe für Frauen, 1973 gar eine erste inoffizielle Marathonweltmeisterschaft.

Van Aaken beschäftigte sich aber auch mit Ausdauersport für Jugendliche und Kinder. Seine Bücher Die Ausdauer des Kindes (1979) und Das Kind als Langstreckenläufer (1982) inspirierten Walter Frisch zur besonderen Förderung seiner drei Kinder, wobei die Töchter Uli und die ältere Monika begeistert mitzogen. Monika Frisch begann mit zehn Jahren zu laufen: "Wir hatten daheim in Hallwang eine zwei Kilometer lange Trainingsstrecke im Wald, bald nahmen wir an Volksläufen teil. Für Kinder ist ja jeder Bewerb lustig."

Der Ehrgeiz

Des Laufens jemals überdrüssig gewesen zu sein kann sich Monika Frisch nicht erinnern, auch nicht, als die Trainingsumfänge folgerichtig größer wurden. "Ich habe keine Sekunde ein ungutes Gefühl, wenn ich zurückdenke." Gegen ihren Willen, sagt Monika Frisch, geschah nichts, "das schaffen auch keine Eltern. Und ich war außerdem immer von mir aus sehr ehrgeizig."

Auch die öffentlichen Diskussionen über ihre Marathonteilnahmen empfand das Mädchen nicht als belastend, "ich war kindlich unbekümmert, mir hat das eher getaugt". Im November 1983 widmete sich ein Sport am Montag – Special dem Marathonkind. Ein Fernsehteam besuchte die Frischs daheim, Monika wurde beim Klavierspiel gefilmt, die von Franz Krynedl präsentierte Sendung rundete eine Diskussion, an der neben Walter Frisch auch der Sportmediziner Ludwig Prokop und dessen jüngerer Bruder Gunnar Prokop, teilnahmen, ab. Der Leichtathletik- und Handballtrainer Gunnar Prokop, gerade mit dem Aufbau seines später so erfolgreichen Handballfrauenteams Hypo Niederösterreich beschäftigt, nannte die Belastung und das damit einhergehende Risiko für die Entwicklung des Teenagers Monika Frisch zumutbar und fand für ihn durchaus typische Worte. "Er hat gesagt, das mit meiner Leistung werde sich regeln, wenn der Kofferraum wächst", wiederholt Monika Frisch.

Tatsächlich war die Marathonläuferin äußerst zart, als ihr Stern aufging. "Nach einer Handwurzelmessung war mir sogar ein möglicher Zwergenwuchs diagnostiziert worden." Marathonmeisterin war Frisch mit rund 32 Kilogramm bei etwas mehr als 1,40 Meter Körpergröße geworden. "Gerade beim Marathon spielt das Gewicht eine große Rolle", sagt Frisch. "Als Kind geht das mit weniger Anstrengung, je älter man wird, desto härter wird auch das Training." In den Jahren nach dem Marathon auf der Donauinsel lief Monika Frisch zu "leicht abzuerntenden Erfolgen, die ich nicht geplant habe". Sie wurde 1985 in Graz noch einmal Marathonmeisterin und drückte dabei ihre Bestzeit auf 2:51:39 Stunden. Im Jahr davor war Monika Frisch auch österreichische Bergmeisterin. Die Karriere endete mehr oder weniger mit der Matura. Sie erhielt ein Stipendium der Auburn University in Alabama, fand Aufnahme ins Track-&-Field-Team der Uni, kehrte aber nach einem Semester nach Österreich zurück, um nach flottem Wirtschaftsstudium in den Familienbetrieb, einen Großhandel für Kabel und Leitungen mit mittlerweile mehreren Standorten in Österreich und insgesamt 60 Mitarbeitern, einzusteigen.

Für intensivere sportliche Betätigung fehlt der Geschäftsführerin und Mutter dreier Kinder gegenwärtig die Zeit. "Ich versuche ein bisschen zu laufen, um fit zu sein" – fit fürs Bergsteigen, Mountainbiken, die Arbeit, die Kinder, die gern Laufen dürfen, aber wie auch Monika Frisch seinerzeit nicht müssen. (Sigi Lützow, 1.4.2019)