Treppensteigen verändert die Perspektive: Die im aut.architektur in Innsbruck gezeigten Filme des Architekturprofessors Arno Brandlhuber werden auch räumlich inszeniert.

Foto: Günter Richard Wett

Arno Brandlhuber, Berliner Architekt, Stadtplaner und Professor an der ETH Zürich, geht mit der eigenen Disziplin hart ins Gericht. "Wir Architekten sind viel zu lahm geworden", meint er und bringt es in großen roten Lettern an den Fenstern des Ausstellungsraums auf den Punkt: Nicht jammern!

Stattdessen motiviert er dazu, die Rahmenbedingungen und Gesetze des Bauens aktiv mitzugestalten und sich vor der gesellschaftspolitischen Verantwortung nicht zu drücken. Sonst unterliegt nämlich bald jeder Flecken Boden der Spekulation des Markts, und die Weichenstellungen einer Margaret Thatcher mit ihrem bedingungslosen Privatisierungskonzept oder heutige Haltungen wie die des Architekten und "Anarcho-Kapitalisten" Patrik Schumacher bestimmen endgültig unser Zusammenleben in Städten und Dörfern.

In der Filmtrologie, die Brandlhuber seit 2016 gemeinsam mit dem Künstler und Regisseur Christopher Roth entwickelt hat – sie steht im Mittelpunkt der Innsbrucker Ausstellung Legislating Architecture / Architecting after Politics – werden diese komplexen Themen fassbar. Man sollte sich Zeit dafür nehmen, der Stoff ist dicht und fesselnd, mitunter wird die Realität zum Thriller.

Debatte ums Gemeinwohl

In Interviews mit Menschen aus Praxis, Theorie, Politik, Kunst und Forschung umkreist er die brennende Debatte um Eigentum oder Gemeinwohl, Besitz oder Teilhabe, Individuum oder Kollektiv, top down oder bottom up, Ökonomie oder Ökologie. Diese gegensätzlichen Begriffspaare sind zugleich Stilmittel der Filme. Abgeleitet vom Quaternio-Prinzip von C. G. Jung und Wolfgang Pauli stehen sich die Begriffe konträr gegenüber, die Lösung liegt nicht immer auf der Hand und schon gar nicht im Extrem.

Ernüchternde wie hoffnungsvolle Fallbeispiele zeigen das, von Lech am Arlberg, wo der Ausverkauf durch globale Investoren die Existenzgrundlage der einheimischen Bevölkerung gefährdet, bis zum Projekt Exrotaprint in Berlin, wo neue Governance-Modelle erprobt werden, um städtischen Raum aus den Profitlogiken des Markts zu befreien. Ergänzt werden die drei Filme im Aut von räumlichen Installationen, die das Wesentliche visuell komprimieren, umfangreicher Literatur und Beiträgen von Arno Brandlhubers Uni-online-TV-Senders station+. (Nicola Weber, 1.4.2019)