Sibeth Ndiaye erster Auftritt als Macrons neue Sprecherin.

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Kein Zweifel, sie sticht heraus. Und das nicht nur wegen ihrer Hautfarbe, die in den höchsten Sphären des französischen Staatsapparats selten vertreten ist. Sibeth Ndiaye steht auch für eine direktere, schnörkellose Sprache fernab des geschliffenen Jargons gestandener Élysée-Kommunikatoren.

Seit Montag ist sie die Stimme des Präsidenten. Als Sprecherin der Regierung in Paris hat sie die Aufgabe, der Nation die präsidialen Ideen, Kommentare und Beschlüsse mitzuteilen. Gerade in politisch angespannten Zeiten, wie sie Frankreich derzeit mit der Gelbwestenkrise und Macrons Popularitätsverlust erlebt, kommt der präsidialen Kommunikation höchste Bedeutung zu.

Sibeth Ndiaye ist keine Novizin im Pariser Politgeschäft. Die 39-jährige Mutter dreier Kinder stammt aus Senegal. "Die, die viele Kämpfe gewonnen hat", wie ihr Vorname in der Sprache der Diola heißt, wuchs in der Hauptstadt Dakar auf; ihr Vater war ein Spitzenpolitiker, ihre Mutter Präsidentin des Verfassungsgerichts.

Streitbare Sozialistin

Von ihren Eltern in eine bekannte Pariser Mittelschule geschickt, trat Sibeth in die Sozialistische Partei ein, als der Rechtsextremist Jean-Marie Le Pen 2002 in die Stichwahl der französischen Präsidentschaftswahlen gelangte. Als Politikstudentin betätigte sie sich im Banlieue-Département Seine-Saint-Denis, und obwohl sie kein Diplom der Eliteschulen ENA oder Sciences Po hatte, machte sie sich im Pariser Politbetrieb rasch einen Namen.

2016 in Frankreich eingebürgert, engagierte sie sich vor den Präsidentschaftswahlen im jungen, verschworenen Staff von Emmanuel Macron. Nach seiner Wahl wurde sie seine Pressechefin – und verscherzte es sich gleich mit der "presse présidentielle": Mit dem Segen ihres Chefs vertrieb sie die Journalisten aus dem Élysée-Palast und quartierte sie in eine Dependance ein.

Die Verbannung der Presse aus dem Élysée-Hof hatte auch ihr Gutes, befreite sie die Presse doch von ihrer Nähe und Abhängigkeit von der Staatsmacht. Viele Journalisten vermuteten Ndiaye hinter kruden Sprüchen Macrons, so etwa über die "Wahnsinnskohle", die das französische Sozialwesen verschlinge. Legendär ist auch ihre Aussage, sie würde "nicht zögern, zu lügen, um den Präsidenten zu schützen". Am Montag verteidigte sie sich, diese Aussage sei aus dem Zusammenhang gerissen worden, sie habe den Schutz von Macrons Privatleben betroffen.

Exponierte Position

Als sie am Montagmorgen den Posten von ihrem Vorgänger übernahm, war allerdings nichts zu erleben von der "bissigen" Art, die ihr in vielen Twitter-Reaktionen angedichtet wird: Nervös trat sie vor die Mikrofone, erklärte, sie wisse um den "harten Widerspruch", auf den sie vielenorts stoße.

Vor allem weiß Ndiaye, wie exponiert sie ab sofort ist: Ihre tägliche Medienpräsenz kann ein Sprungbrett für höhere Funktionen sein, falls sie reüssiert – oder ein politischer Pranger für den unter Druck stehenden Macron.

Macron wählte seine enge Vertraute wohl auch, um das Image einer stromlinienförmigen und technokratischen Elite im Élysée zu korrigieren. Dass Ndiaye gerne frei von der Leber spricht, birgt aber Risiken: Die politisch unkorrekten, teils despektierlichen Sprüche haben dem Präsidenten effektiv schon stark geschadet.

Macron zeigt mit der Ernennung auf jeden Fall Mut: Er begnügt sich nicht nur – wie die meisten französischen Politiker – mit Worten, was die Förderung immigrierter Talente betrifft, sondern schreitet zur Tat. Im Rahmen der Regierungsumbildung, die wegen des wahlkampfbedingten Austritts von drei Ministern nötig wurde, ernennt er den 36-jährigen Cédric O, der einen koreanischen Vater hat, zum Staatssekretär für Digitales. Europa-Staatssekretärin wird Amélie de Montchalin. (Stefan Brändle aus Paris, 2.4.2019)