Foto: Christian Fischer

PRO: Der große Aufbausch

von Lisa Mayr

Ignoriert man den pseudointellektuellen Schmonzes und die Lifestyle-Mimikry der Identitären Bewegung, sieht man, was sie wirklich ist: eine im Kader ein paar Dutzend Leute schwache Rechtsextremistentruppe mit mannigfach neofaschistischen Anklängen, die verstanden hat, wie Inszenierung geht. Schade, dass ihr die meisten Medien von Anfang an auf den Leim gegangen sind und munter ihre Botschaften reproduzieren.

Natürlich müssen Medien berichten, was ist. Diese Feststellung ist gelinde gesagt banal. Medien müssen aber auch antizipieren, wessen Spiel sie spielen, wenn sie "einfach nur berichten" – vor allem bei einer so marketingaffinen Truppe. Hat das Publikum ein Recht darauf, umfassend und einordnend über deren Umtriebe und die Verbindungen etwa zur FPÖ informiert zu werden? Natürlich. Müssen Medien dafür die Symbole der Identitären in ikonisierender Bildsprache zeigen und Cover drucken, auf denen der Rädelsführer in Großaufnahme den Blick sinnierend gen Morgen reckt? Oder ihn in Interviews elaboriert sein Weltbild darlegen lassen? Nein. Dürfen sich Identitäre freuen über diese Art der "kritischen Berichterstattung"? Ja.

In einem Nachrichtenmagazin erklärt deren Chef auf interessiertes Nachfragen, wie die inhaltlichen Verbindungen zur FPÖ denn nun genau aussehen: "Wir machen eine Aktion zu einem Thema oder ein Video und warten, dass die Zeitungen von selbst drüber berichten." Bingo. (Lisa Mayr, 1.4.2019)

KONTRA: Totschweigen nützt nichts

von Eric Frey

Nein. Es waren nicht die vielen Magazincover und Zeitungsaufmacher, die Jörg Haider einst großmachten. Natürlich wusste der FPÖ-Chef die Medien zu nutzen. Aber vor allem war er ein Volkstribun mit Charisma und Überzeugungskraft. Und sobald er Wähler begeisterte und Wahlen gewann, mussten die Medien über ihn schreiben – möglichst mit Distanz, Ausgewogenheit und angemessener Kritik. Das war und ist ihre Aufgabe.

Schon damals erschallte häufig der Ruf, man solle Haider totschweigen; als er tatsächlich tot war, hieß es, man solle über Heinz-Christian Strache möglichst wenig berichten. Heute sind es die Identitären und ihr Chef Martin Sellner, die es nicht in die Schlagzeilen schaffen sollen, weil sie mit ihren Aktionen genau das bezwecken.

Doch hier wird Journalismus mit Aktivismus verwechselt. Medien müssen relevante Ereignisse und Phänomene dokumentieren und analysieren, die Personen dahinter porträtieren. Und Sellner ist durch seine Verbindungen zur FPÖ politisch höchst relevant. Dass Medien manchmal instrumentalisiert werden, ist unvermeidbar. Aber dem lässt sich nur durch tiefergehende Berichterstattung entgegenwirken, nicht durch Herunterspielen und Ignorieren.

Eine solche – offen oder stillschweigend akkordierte – Strategie würde auch nichts nützen. Im Gegenteil: Sie würde Attacken gegen die "Lügenpresse" Auftrieb geben. Und die Menschen, die Sellner und Co ansprechen wollen, haben im Internet längst ihre alternative Medienwelt gefunden. (Eric Frey, 1.4.2019)