Wien – 2040 werden Kinder in Österreich mehr Zeit in der Volksschule verbringen, glaubt man den Visionen der Erziehungswissenschafter Peter Posch (Uni Klagenfurt) und Helmut Fend (Uni Zürich) im Nationalen Bildungsbericht 2018. Sie und drei weitere Experten haben im aktuellen Band einen Blick in die Zukunft geworfen. Sie erwarten etwa auch, dass Lernziele künftig individuell festgelegt werden.

Posch kann sich vorstellen, dass Kinder die Volksschule künftig im Alter von Fünf und bis Elf und damit um zwei Jahre länger als derzeit besuchen werden. "Nach unten könnte wegen der rasch wachsenden Bedeutung frühkindlicher Bildung (und internationaler Trends) verlängert werden und nach oben, um die frühe Selektion etwas hinauszuschieben." Fend wiederum sieht von seinem "Wolkenblick des Jahres 2040 aus", dass die letzten beiden Kindergartenjahre zur verpflichtenden "Schulzeit" werden. Durch die gleichzeitige Verlängerung der Volksschule um ein Jahr ergäben sich damit sieben Jahre gemeinsames Lernen.

Einer klassischen Gesamtschule von Sechs bis 14 räumen hingegen beide keine großen Chancen ein. Poschs Argument: Je mehr Menschen mit Matura, desto geringer das Interesse, die verbundenen Privilegien mit weiteren Teilen der Bevölkerung zu teilen. Allerdings geht Fends Vision davon aus, dass AHS und Neue Mittelschule (NMS) in verschiedenen Modellregionen immer stärker zusammenwachsen und die übergeordneten Cluster (zur gemeinsamen Verwaltung mehrerer Schulen) vielerorts zur Fusion führen.

Vielfältigere Zusammensetzung

Die Zusammensetzung der Schüler und deren familiärer Rückhalt wird den Erwartungen der Experten zufolge noch vielfältiger als heute. Damit wird nicht nur die Rolle der Schule für den sozialen Ausgleich durch die Schulen noch wichtiger werden, den Visionen zufolge wird Lernen ein immer individuellerer Prozess werden: Neben einer Grundbildung, die jeder als Grundniveau erreichen sollte, werde es je nach Voraussetzung unterschiedliche Lernziele geben. Oder, wie Infineon-Vorstandschefin Sabine Herlitschka es formuliert: "Es wird sich ein undogmatisch-pragmatischer Zugang durchsetzen, der die Potenziale der Kinder und Jugendlichen erkennen und entfalten will." Dazu passend rechnet Posch im Jahr 2040 bei den Zeugnissen mit immer mehr Ergänzungen etwa durch Stärkenportfolios. Gleichzeitig wird der Wert von Abschlusszeugnissen geringer, weil etwa Hochschulen zunehmend auf eigene Aufnahmeverfahren setzen.

Die größten Auswirkungen erwarten die Experten wenig überraschend durch technische Entwicklungen: Durch fachdidaktische Lernsoftwares könne in fast allen Fächern der Unterricht neu konzipiert werden, glaubt Posch. Dadurch könnte wie beim Konzept des "Flipped Classrooms" die Informationsvermittlung an den höheren Schulen verstärkt außerhalb der Schule stattfinden und der Lehrer sich stattdessen auf Unterstützung beim Üben und Verarbeiten konzentrieren. Herlitschka sieht im Technologieeinsatz auch einen wichtigen Schritt zu mehr Chancengerechtigkeit: Durch stark individualisiertes und auf den aktuellen Wissensstand abgestimmtes Lernen samt laufendem Feedback könne man "Potenziale freilegen, die vorher unentdeckt geblieben wären". (APA, 2.4.2019)