Die Befürchtung, im Fall des Unfalls als Grundbesitzer zur Verantwortung gezogen zu werden, ist in der Regel unbegründet, sagen Experten.

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Innsbruck – "Dann fällt so ein Radler über einen Ast, und ich muss zahlen": So oder so ähnlich lauten vielfach die Befürchtungen von Grundbesitzern und Wegehaltern, wenn es ums Mountainbiken geht. In der heutigen Vollkaskogesellschaft sei Eigenverantwortung zum Fremdwort mutiert, heißt es dann. Dabei sieht die juristische Realität ganz anders aus, wie eine Nachfrage bei Experten zeigt.

Denn grundsätzlich gilt, dass der Geschädigte dem Wegehalter (der nicht zwingend auch Grundbesitzer sein muss) grobe Fahrlässigkeit nachweisen muss, sollte der Radler sich nach einem Sturz bemüßigt fühlen zu klagen. Donnert etwa ein Biker auf dem Forstweg gegen einen vom Wind gefällten Baum oder kommt er wegen eines Schlaglochs zu Sturz, so hat der Wegehalter in der Regel nichts zu befürchten, sagt der Jurist Martin Hoffer, Leiter der ÖAMTC-Rechtsdienste: "Die Angst der Waldbesitzer ist hier oft übertrieben. Man will ja nicht das Risiko auf sie überstülpen."

Haftungsprivileg für Wegehalter

Hoffer verweist auf reichhaltige Judikatur und Geschichte zum Thema: "Die Wegehalterhaftung geht zurück aufs Alte Rom. Wer die Allgemeinheit über seinen Grund passieren lässt, soll dafür nicht zusätzlich belastet werden." Darüber hinaus gelte auch auf Forststraßen die Straßenverkehrsordnung. Sprich: Der Radler ist verpflichtet, auf Sicht zu fahren. Rast er in einen Baum, der hinter einer Kurve liegt, ist er somit selbst schuld.

Zudem genießt der Wegehalter ein Haftungsprivileg, wenn er sein Eigentum öffentlich nutzbar macht. Im Fall eines Unfalls müsste ein klagender Radler ihm daher die grobe Fahrlässigkeit nachweisen. Was nicht einfach wäre, wie Jurist Hoffer sagt. Umgekehrt verhält es sich bei der kommerziellen Nutzung eines Wegs – wenn also etwa ein Entgelt fürs Befahren verlangt wird. Dann gilt schon leichte Fahrlässigkeit, und hier muss der Wegehalter nachweisen, dass ihn keine Schuld trifft.

Rechtsschutzversicherung wird empfohlen

Hoffer verweist auf den Versicherungsschutz, der in Form der Wegehalterpflicht meist ohnehin besteht. Um sich vollends abzusichern, empfiehlt er eine zusätzliche Rechtsschutzversicherung: "Weil Versicherer grundsätzlich viel mehr Energie in das Ablehnen von Schadenshaftung stecken."

Wie unbegründet viele Ängste der Wegehalter sind, illustriert der Experte mit einem Beispiel aus dem Straßenverkehr: "Wenn man einer Straßenmeisterei nachweisen will, dass sie nicht genug gestreut hat im Winter und es daher zu einem Unfall auf Glatteis gekommen ist, wird das kaum möglich sein."

Tiroler Erfolgsmodell

Lars Lotze von der Abteilung Forst des Landes Tirol, die seit 1998 mit dem Mountainbikemodell 2.0 eine Vorreiterrolle in Österreich einnimmt, bestätigt Hoffers Aussagen. Tirol bietet Grundbesitzern und Wegehaltern, die Mountainbiker zulassen, einen subsidiären Versicherungsschutz an. Das heißt: Kommt es zu einem Unfall, klagt ein Biker tatsächlich, und die Wegehalterhaftpflicht des Grundbesitzers übernimmt im Fall eines Schuldspruchs nicht die Kosten, dann würde die Versicherung des Landes einspringen.

Zwar darf Lotze aus Datenschutzgründen dazu keine genauen Zahlen nennen, aber solche Fälle seien in der über 20-jährigen Erfolgsgeschichte des Tiroler Modells wohl auch für Kapitän Hook per Finger nachzählbar. Wobei anzumerken ist, dass nicht bekannt ist, wie oft die privaten Wegehalterhaftpflichtversicherungen einspringen mussten, weil geklagt wurde.

Insgesamt scheint aber ein subsidiäres Versicherungsschutzmodell, wie es in Tirol und mittlerweile auch anderen Bundesländern bereits angewandt wird, eine praktikable Lösung zu sein, die das Argument der drohenden Haftung, das gegen eine Öffnung der Wege sprechen würde, außer Kraft setzt. (Steffen Arora, 2.4.2019)