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Jan Dirk Herbermann aus Genf

ls größtes Risiko gilt der Handelskonflikt zwischen den USA und China, die sich mit Strafzöllen überzogen haben. Noch mehr Schaden können die von den USA angedrohten Importzölle auf Autos anrichten.

Foto: Reuters

Die Befürchtungen vieler Manager und Ökonomen bewahrheiten sich: Der anhaltende Handelskonflikt zwischen den Wirtschaftssupermächten USA und China hinterlässt tiefe Bremsspuren im globalen Warenaustausch. "Wir sind nicht in einer guten Verfassung", betonte der Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), Roberto Azevêdo, am Dienstag in Genf.

Der Brasilianer sprach von "hoher Unsicherheit" durch den protektionistischen Schlagabtausch zwischen Amerikanern und Chinesen, der weitgehend von US-Präsident Donald Trump angezettelt wurde. Diese Unsicherheit wirkt sich negativ auf die Investitionen und den Konsum aus. "Die ganze Welt verliert", warnte Azevêdo.

Importzölle

Noch mehr Schaden können der WTO, die globale Handelsregeln aufstellt und überwacht, zufolge die von den USA angedrohten Importzölle auf Autos anrichten. "Der Austausch zwischen den USA und China macht etwa drei Prozent des Welthandels aus", sagte Chefvolkswirt Robert Koopman. "Der globale Automobilhandel macht aber etwa acht Prozent des Welthandels aus. Man kann sich also vorstellen, dass die Folgen der Autozölle größer sein werden."

Der WTO-Chef präsentierte die jüngsten Entwicklungen, die keinen Anlass zu Zuversicht geben: Danach betrug das volumenmäßige Wachstum des globalen Warenhandels 2017 noch rund 4,6 Prozent. Im Jahr 2018 sackte das Wachstum auf drei Prozent ab. Und heuer dürfte es nach den Berechnungen der WTO-Ökonomen bei 2,6 Prozent liegen. Der Schrumpfprozess könnte erst 2020 gestoppt werden und das Plus wieder drei Prozent betragen. Ein positiver Trend wird aber nur einsetzen, wenn es an der Handelsfront zu einer Beruhigung kommen wird.

Appell an die Vernunft

Derzeit versuchen Emissäre der USA und Vertreter Chinas den bilateralen Konflikt mit den globalen Auswirkungen zu entschärfen. Azevêdo appellierte an die Streithähne in Washington und Peking, ökonomische Vernunft walten zu lassen. Dabei ist der WTO-Chef durchaus von Eigennutz getrieben: Je länger sich die USA und China bekriegen und WTO-Regeln beiseitewischen, desto mehr leidet auch die Autorität der in Genf beheimateten Organisation. Besonders drastisch bedrohen die USA die WTO. Die Amerikaner sperren sich gegen die Neubesetzung von Richterstellen beim WTO-Berufungsgericht und riskieren somit die Funktionsfähigkeit der gesamten WTO-Gerichtsbarkeit.

Dass die USA und China die Hauptverantwortung für den um sich greifenden Protektionismus tragen, belegt die WTO mit Zahlen: Zwischen Mitte Mai und Mitte Oktober 2018 verhängten die größten Wirtschaftsmächte (G20) neue Strafzölle und andere restriktive Maßnahmen, die Handelsgüter im Wert von 481 Milliarden US-Dollar betrafen. Das ist laut WTO der höchste jemals von ihr berechnete Wert. Allein der Konflikt der USA mit China zieht Handelsgüter mit einem Wert von 350 Mrd. Dollar in Mitleidenschaft.

Brexit und Co

Doch das erlahmende Wachstum des Warenaustauschs lässt sich nicht nur auf die Zwiste zurückführen. Die WTO-Ökonomen nennen als weitere Gründe die schwächer werdende globale Wirtschaftsleistung, zumal in EU-Ländern, die Volatilität auf den Finanzmärkten und auch den Shutdown der US-Regierung. Wie der möglicherweise kurz bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union den Welthandel beeinflusst, lassen die WTO-Ökonomen offen. Nur: Die Handelskraft der Briten werde sinken. Die deutschen Exporteure rechnen hingegen ungeachtet der zahlreichen Risiken heuer erneut mit einem Umsatzrekord. Die Ausfuhren dürften um bis zu drei Prozent auf die Bestmarke von 1,4 Billionen Euro zulegen. (Jan Dirk Herbermann, 2.4.2019)