Nicole Amberg erforscht den Einfluss von Epigenetik auf die Entwicklung der Großhirnrinde.

Foto: IST Austria / Lisa Cichocki

Ähnlich einem Geschirrtuch, das in ein Wasserglas gesteckt werden kann, nimmt auch unser Gehirn viel Oberfläche auf kleinem Raum ein. Die Hälfte des Gehirnvolumens macht dabei die Großhirnrinde aus, den sogenannte Cortex.

Dort finden alle höhergeordneten Fähigkeiten wie kreatives Denken, Selbstwahrnehmung und Lernen statt, sagt Nicole Amberg. Als Postdoc forscht die 34-Jährige am Institute of Science and Technology Austria (IST) in Klosterneuburg zu Vorgängen in der frühen Entwicklung dieser Strukturen.

Der Cortex beinhaltet mehrere Milliarden verschiedener Typen an Nervenzellen. Sie entstehen während der Embryonalentwicklung Schicht für Schicht nach einem streng geordneten Ablauf. Zuerst fangen Stammzellen an, die innerste Schicht an Nervenzellen zu bilden. "Irgendwann wissen sie dann, dass von einer Art genug da ist, und beginnen den nächsten Typ zu bilden", sagt Amberg. "Es gibt aber noch viele Fragen darüber, wie das gesteuert wird."

Einfluss der Epigenetik

Die Biologin interessiert sich dabei für den Einfluss der Epigenetik auf diese Abläufe. Damit sind Veränderungen der DNA (oder der Proteine, um die die DNA gewickelt ist) gemeint, bei denen die Sequenz des DNA-Codes selbst nicht verändert wird. Positiv oder negativ geladene chemische Gruppen werden angefügt und Gene so aktiviert oder deaktiviert. "Wenn auf diese Weise zu wenige oder zu viele Nervenzellen gebildet werden, kann das zu einem kleineren Gehirn oder zu Tumorwachstum führen."

Um zu verstehen, wie diese bedeutenden Prozesse richtig funktionieren, greift die Gruppe rund um den Neurobiologen Simon Hippenmeyer zu einer speziellen Methode: Da Nervenzellen tausende Verzweigungen haben, ist es quasi unmöglich, sie während der Reifung einzeln zu betrachten.

Mithilfe von genetischen Veränderungen in Mäusen bringen die Wissenschafter einzelne Zellen gezielt zum Leuchten. "Wir können dann zum Beispiel festlegen, dass grün leuchtende Zellen eine gewisse Mutation haben und rote nicht." Danach zählt man die Anzahl der jeweiligen Zellen und kann so Rückschlüsse über den Einfluss der Veränderungen ziehen, erklärt Amberg.

Besonderheiten der Großhirnrinde

Schon früh war klar, in welche Richtung es für Amberg gehen sollte. "Ich habe mich schon in der Schule gefragt, wie eine Stammzelle weiß, was sie werden soll." Es folgten ein Studium der Molekularbiologie und eines der Zoologie – für Letztere fühlte sie sich aber weniger geeignet. "Im Labor bin ich besser aufgehoben", meint sie.

Während ihres PhD an der Med-Uni Wien erforschte sie Stammzellen der Haut. Das sei richtungsweisend gewesen, dennoch anders als ihre aktuelle Arbeit: "Die Großhirnrinde ist besonders, weil Stammzellen hier geordnet so viele unterschiedliche Nervenzellen hervorbringen. Das ist sehr spannend, und ich bin froh, dass ich so viel Neues dazulernen konnte."

Vor kurzem wurde Amberg eine Hertha-Firnberg-Förderung des Wissenschaftsfonds FWF für hervorragende Wissenschafterinnen verliehen. Noch seien gesonderte Frauenförderungsprogramme notwendig, meint sie: "Natürlich können Frauen gute Wissenschaft machen, aber sie müssen auch innerlich daran glauben. Der Preis hat mir eine Bestätigung dafür gegeben, dass ich gut genug bin." (Katharina Kropshofer, 8.4.2019)