Allein mit Gras und Heu kommen Kühe heutzutage nicht mehr über die Runden: Hochwertige Futtermittel sind gefragt, meist aus Soja.

Foto: Elmar Gubisch

Der weltweite Fleischkonsum hat sich seit den 1960er-Jahren fast vervierfacht: 2017 waren es satte 330 Millionen Tonnen. Ein Nachlassen des Trends scheint durch das Nachziehen der Schwellenländer nicht in Sicht. Bis 2050 rechnet die Welternährungsorganisation mit einer Steigerung auf 455 Millionen Tonnen.

Bei der Produktion dieser Mengen entstehen nicht nur jede Menge Treibhausgase, es werden auch landwirtschaftliche Flächen für den Anbau von Futterpflanzen statt für Nahrungsmittel verwendet. Eine Milderung der Problematik verspricht ein biotechnologischer Durchbruch, der Forschern der Wiener Universität für Bodenkultur und des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (Acib) gelungen ist.

Auf rasche Gewichtszunahme oder sonstige hohe Leistung gezüchtete Nutztiere kommen mit simplem Grasen nicht über die Runden. Ihr Futter wird daher mit eiweißreichen Zusatzstoffen versetzt; in Europa sind das vorwiegend Sojaprodukte. Mehr als 70 Prozent des EU-Bedarfs werden importiert, vorwiegend aus Nord- und Südamerika.

Österreich führt jährlich rund 600.000 Tonnen ein. Das ist nicht nur teuer, sondern auch problematisch für die Umwelt: Die direkte Erzeugung von Lebensmitteln aus Pflanzen wie Sojabohnen würde deutlich weniger Energie brauchen und weniger Treibhausgase produzieren als der "Umweg" über das Fleisch. Abgesehen davon werden landwirtschaftlich nutzbare Flächen immer knapper, was die Nahrungsmittelproduktion zusätzlich unter Druck setzt.

Umweltfreundliche Eiweißquelle

Abhilfe könnten Mikroorganismen wie Bakterien und Hefen schaffen. Hefen sind einzellige Pilze, die von Kohlenhydraten, also Zuckern, leben und als Futter eine umweltfreundliche Eiweißquelle darstellen. In der Biotechnologie werden verschiedene Hefen für die Produktion von Chemikalien und Medikamenten sowie als Futterzusatzstoff eingesetzt.

Die dafür nötigen Kohlenhydrate stammen jedoch bis jetzt aus Pflanzen, und die müssen auf Feldern angebaut werden. Thomas Gaßler und seinen Betreuern Diethard Mattanovich vom Department für Biotechnologie der Wiener Universität für Bodenkultur und Matthias Steiger vom Acib in Wien ist es gelungen, diesen problematischen Kreis zu durchbrechen: Im Rahmen seiner Dissertation brachte Gaßler den Hefepilz Pichia pastoris dazu, sich direkt von Kohlendioxid zu ernähren.

Das bedeutet, dass der Pilz von heterotropher auf autotrophe Ernährung umgestellt wurde. Das klingt viel einfacher, als es ist. "Pichia pastoris lebt unter natürlichen Bedingungen von Methanol und ist imstande, das eine C-Molekül von Methanol einzubauen", wie Gaßlers Doktorvater Diethard Mattanovich erklärt. "Aber damit sie Kohlendioxid aus der Luft verwenden kann, muss die Hefe C-Atome chemisch reduzieren und miteinander verknüpfen. Das ist ein schwieriger Stoffwechselweg."

Die bekanntere Bäckerhefe etwa, die auch für die Gärung von Bier und anderen alkoholischen Getränken verantwortlich ist, ist dazu nicht imstande. Weltweit arbeiten mehrere Forschungsgruppen daran, Mikroorganismen so umzuprogrammieren, dass sie CO2 als einzige Nahrungsquelle verwenden – mit Ausnahme der Wiener Gruppe bisher erfolglos.

Futter aus dem Bioreaktor

In den kommenden Monaten forschen Thomas Gaßler und Michael Egermeier an der Verwertung von Kohlendioxid mit Pichia pastoris mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Das Projekt mit dem Namen "CarboFeed" wurde als eines von sieben Projekten für das Spin-off-Fellowship-Programm des Wissenschaftsministeriums ausgewählt. Ziel des Programms ist es, universitäre Forschung in erfolgreiche Start-ups zu verwandeln.

Welche Vorteile bringt aber nun die umprogrammierte Hefe? "Zuerst einmal kann die Futtermittelherstellung dadurch billiger werden", sagt Gaßler, "weil Kohlendioxid eine sehr günstige Kohlenstoffquelle ist. Außerdem können wir eine hohe Qualität der so produzierten Futtermittelzusatzstoffe garantieren, weil sie keinerlei Pestizide oder Mykotoxine – das sind Gifte aus Schimmelpilzen – enthalten.

Außerdem brauchen wir für die Erzeugung der Stoffe deutlich weniger Fläche." De facto ist nur der Grund und Boden nötig, der für die Aufstellung entsprechend großer Bioreaktoren vonnöten ist – und das geht so gut wie überall.

Vorerst jedoch funktioniert das Ganze erst in einem Versuchsbioreaktor, der ungefähr einen Liter Inhalt fasst. In den nächsten Monaten gilt es für die Jungwissenschafter, die optimalen Parameter für die Kultivierung der neuen Pichia-pastoris-Variante zu finden. "Außerdem werden wir uns die Produktpalette anschauen, die sich aus der autotrophen Pichia gewinnen lässt", sagt Gaßlers Kollege Michael Egermeier.

Und wird die neue Hefe das Weltklima retten? Boku-Forscher Diethard Mattanovich ist überzeugt: "Bei großflächiger Anwendung hat sie schon Chancen, die Erderwärmung zu reduzieren." (Susanne Strnadl, 5.4.2019)