Die Produktionsanlage besteht aus 43.000 Glasröhren, die jeweils sechs Meter in die Höhe ragen. Ihre grüne Farbe erhalten sie von den Mikroalgen, die darin kultiviert werden: im Winter die grüne Süßwasseralge Chlorella, im Sommer die – eigentlich als Bakterium klassifizierte – Spirulina.

Beide sind sie reich an Proteinen, Vitaminen und Mineralien. Einmal abgeerntet, werden sie zu Nahrungsergänzungsmittel, "Superfood" in Form von Kapseln, Pulver oder Schokoladensnacks.

Bevor es aber so weit ist, wandern die Algen in der Anlage des Unternehmens Ecoduna nahe Bruck an der Leitha langsam von Rohr zu Rohr. Eingebrachte Gasblasen sorgen für Transport und Durchmischung, für CO2-Zugabe und Sauerstoffabscheidung, für Licht und Schatten, erklärt Silvia Fluch, die hier den operativen Betrieb managt. Das hat den Vorteil, dass das Wasser nicht gepumpt werden muss – manche Algenarten kommen damit nicht zurecht.

In den Photobioreaktoren des Unternehmens Ecoduna nahe Bruck an der Leitha werden Mikroalgen im großen Stil kultiviert. 2019 will man 60 Tonnen schaffen.
Foto: Ecoduna

Die Anlage läuft vollautomatisch. Sensoren überwachen den Betrieb. Nachdem hier Nahrungsmittel produziert werden, gibt es keine Toleranz für Verunreinigungen. Die Algen, die in ihrer natürlichen Umgebung das Wasser eigentlich reinhalten, würden sie sofort aufnehmen.

Das CO2, mit dem die Organismen "gefüttert" werden, kommt aus einer nahegelegenen Bioethanolanlage. Täglich wird ein Teil der Algen abgeerntet. Die Biomasse wird gefiltert und zentrifugiert, ein Großteil des Wassers entzogen. Übrig bleibt ein trockenes Pulver.

Noch 2019 soll noch ein weiteres Produkt auf den Markt kommen. Aus heimischen Fischteichen wurde ein Stamm einzelliger Grünalgen isoliert, der einen besonders hohen Gehalt an Eicosapentaensäure (EPA) aufweist – bekannt als Omega-3-Fettsäure. EPA ist sonst vor allem in Fischen zu finden und wichtig für Zellaufbau und Stoffwechsel im menschlichen Körper.

Blühende Algenforscherszene

Fluch berichtete am Dienstag beim diesjährigen Treffen des "Netzwerk Algen" am MCI Management Center Innsbruck von den Erfahrungen in der etwa vor einem Jahr angelaufenen, großformatigen und technisch neuartigen Produktion von Mikroalgen.

Die vom Bund initiierte und von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (Ögut) und dem K1-Kompetenzzentrum Bioenergy 2020+ durchgeführte Veranstaltungsreihe vernetzt die heimische Algenforscherszene.

Und die ist gar nicht so klein. Vor allem die Nutzbarmachung von Algeninhaltsstoffen für Ernährung, Pharmazie und Kosmetik erhielt in den vergangenen Jahren verstärkte Aufmerksamkeit. Im Rahmen eines von der Forschungsförderagentur FFG unterstützten Kooperationsprojekts arbeiten etwa das MCI, die FH Oberösterreich und das Austrian Drug Screening Institute (ADSI), ein Tochterunternehmen der Uni Innsbruck, an der "Etablierung eines ökonomischen Gesamtprozesses zur Produktion von werthaltigen Produkten" aus Algen. In diesem Zusammenhang forscht das ADSI etwa daran, wie entzündungshemmende Extrakte aus alpinen Algen gewonnen werden können.

"Unsere Idee war, danach zu fragen, was die Organismen im alpinen Umfeld können müssen, um zu überleben", sagt Roland Gstir, Zellbiologe am ADSI. "Sie müssen mit extremer UV-Strahlung und hohen Temperaturschwankungen umgehen können. Wahrscheinlich haben sie also chemische Lösungen gefunden, um mit den resultierenden Entzündungsreizen umzugehen und die Zellen zu schützen."

Bis zur großflächigen Anwendung von Algen im medizinischen Bereich ist es noch ein langer Weg.
Foto: Ecoduna

Als Grundlage dient dabei die Algenkultursammlung der Uni Innsbruck. 20 Stämme wurden kultiviert, entsprechend "gestresst", damit sie das erwünschte Stoffwechselprodukt auch tatsächlich produzieren, und zu Extrakten verarbeitet.

Nachdem eine Anwendung in der Kosmetik wünschenswert wäre, entschieden sich die Forscher für Tests an menschlichen Hautzellen. Um die Wirkung zu prüfen, sucht man einen passenden biochemischen Reaktionsweg und versieht ihn mit einem "Reportergen". Dazu dienen sogenannte Luciferasen, die unter bestimmten Umständen mit Biolumineszenz reagieren, also ein messbares Leuchen von sich geben.

"Werden die Hautzellen mittels UV-Bestrahlung in einen Entzündungszustand versetzt, kommt es zum Lichtausschlag", erklärt Gstir. "Die Hautzellen werden zumindest dreimal mit den Extrakten behandelt. Man beobachtet, in welchem Fall das Leuchten abnimmt, also die Aktivität des Signalwegs reduziert wird."

Während es in der Kosmetik ausreicht zu wissen, welche Fraktion an Inhaltsstoffen positive Effekte generiert, muss für eine Anwendung als Medikament der genaue molekulare Mechanismus analysiert werden – eine aufwendige Prozedur. Es wird also noch dauern, bis entzündungshemmende Salben aus Alpinalgen am Markt sind.

Algen im Energiemix

Neben der Anwendung im menschlichen Körper wären Algen auch als Energiequelle verwertbar. Dieses Forschungsfeld hat in jüngerer Vergangenheit weniger Aufmerksamkeit bekommen – mutmaßlich begründet durch die fallende Konjunktur der Biotreibstoffe, die in Konkurrenz mit dem Lebensmittelanbau stehen.

Doch anders als Raps oder Soja benötigen Algen keine großen Ackerflächen, sondern können in Industrieanlagen produziert werden. Markus Ellersdorfer von der Montan-Uni Leoben ist überzeugt, dass Algen einen Platz im Energiemix der Zukunft haben. Algenfarmen könnten etwa nahe an Kraftwerken gebaut werden und so Synergien nutzen.

"Für die Treibstoffgewinnung braucht es nicht so hohe Anforderungen wie bei den Algen in der Nahrungsmittelindustrie", betont Ellersdorfer. Rauchgase aus den Kraftwerksschloten wären direkt nutzbar. Ein großer Teil des CO2 darin könnte von den Algen verwertet werden.

Im Zuge einer hydrothermalen Verflüssigung würde die an Lipiden reiche Algenmasse dann bei hohen Temperaturen und Druck "gekocht" und so in eine erdölähnliche Substanz verwandelt werden, erklärt der Forscher. "Das Produkt kann in einer Raffinerie dem Rohöl beigemischt und mit existierender Infrastruktur weiterverarbeitet werden."

Die Algenfarm Ecoduna in Niederösterreich besteht aus 43.000 Glasröhren, die jeweils sechs Meter in die Höhe ragen.
Foto: Ecoduna

In einem aktuellen Projekt arbeitet Ellersdorfer daran, die Algen mit anderen biogenen Reststoffen wie Grünschnitt oder Speiseabfällen zu kombinieren, um so einen wirtschaftlichen Gesamtprozess zu schaffen. Welche Produktionsmengen wären realistischerweise möglich? "Wenn im Verkehrsbereich in Österreich acht Millionen Tonnen Kraftstoffe pro Jahr verwendet werden, wäre ein Prozent davon ein gutes Ziel", rechnet Ellersorfer vor.

Doch von den Ideen im Labor zu gut funktionierenden Industrieanlagen ist es ein weiter Weg. Silvia Fluch von Ecoduna, wo man 2019 auf ein Produktionsvolumen von 60 Tonnen kommen will, kann ein Lied davon singen. "Mit großen Volumina kann etwa die Extraktion ganz anders laufen als im Labormaßstab", betont sie.

Für entsprechende Tests seien große Algenmassen nötig. Man müsse von Anfang an eine industrielle Skalierung mitdenken. Mangels spezialisierter Technik habe man etwa für die Filterung der Algen Gerätschaften aus dem Weinbau adaptiert, mit denen Trübstoffe abgeschieden werden. Das habe nicht immer gut funktioniert. "Gibt es bei diesen Technologien Probleme", sagt Fluch, "muss man sie letztendlich selber lösen." (Alois Pumhösel, 10.4.2019)