Eine Frage der Haptik: Wer bar zahlt, entwickelt ein stärkeres Besitzgefühl für das Gekaufte als Fans von Kartenzahlung.

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Von unseren fünf Sinnen entwickelt sich der haptische als Erster. Schon ab der fünften Schwangerschaftswoche kann der Embryo mit den Lippen seine Umwelt erspüren, und allmählich breitet sich die Fähigkeit zu fühlen über seinen gesamten Körper aus. Der Tastsinn liefert die ersten Erfahrungen, auf deren Basis sich unser Selbstbewusstsein entwickeln und ein Kontakt zur Welt hergestellt werden kann.

Von psychologischen Experimenten weiß man, dass sich Berührungen unmittelbar auf unsere Besitzgefühle auswirken. Diese wiederum steigern die Wertschätzung eines Gegenstands – in der Verhaltensökonomik spricht man hier vom "Endowment-Effekt".

"Wenn wir bei einer Veranstaltung zwei Plätze mit einem Schal reservieren und beim Zurückkommen bemerken, dass er nun woanders liegt, empfinden wir das als unrechtmäßigen Verlust", weiß Bernadette Kamleitner, Leiterin des Instituts für Marketing und Konsumentenforschung an der WU Wien. "Wir fühlen psychologischen Besitz, obwohl uns der Platz nicht gehört." Der körperliche Kontakt begünstige das Empfinden, etwas unter Kontrolle zu haben, und stärke damit die Besitzgefühle, so die Forscherin.

In verschiedenen Studien untersuchen Kamleitner und ihr Team, wovon unser Besitzgefühl beeinflusst wird, und welche Auswirkungen es auf unser Verhalten haben kann. So zeige sich etwa ein stärkeres Besitzgefühl für das Gekaufte, wenn Menschen in bar statt mit Karte zahlen. Während das Geld aus der Börse genommen und weggegeben wird, wandert die Karte wieder dorthin zurück.

Fühlbare Investition

"Die Barzahlung macht die Investition fühlbarer und damit deutlicher", so Kamleitner. "Man muss Dinge begreifen, um sie psychologisch zu besitzen." Eine Erkenntnis, die möglicherweise auch unseren sorglosen Umgang mit den eigenen Daten erklären kann. "Da wir sie weder physisch noch metaphorisch 'begreifen', haben wir auch ein relativ gering ausgeprägtes psychologisches Besitzgefühl dafür entwickelt."

Um das Begreifen im metaphorischen Sinn ging es in einem Experiment der WU-Forscher zum Thema Umweltschutz. "Wir ließen zwei Probandengruppen jeweils unterschiedlich schwierige Fragen zum Thema Umwelt beantworten", berichtet Kamleitner. Die Gruppe mit den einfacheren Quizfragen schnitt erwartungsgemäß viel besser ab und hatte dadurch das Gefühl, mehr über die Umwelt zu wissen. "In der Folge zeigte sich bei diesen Probanden ein signifikant größeres Interesse an Umweltschutz."

Je mehr man also über etwas zu wissen glaubt, desto eher wird es auch zum "Eigenen" – wobei das gefühlte Wissen keineswegs mit den tatsächlichen Kenntnissen korrelieren muss. Wie aber hat man überprüft, ob sich die gefühlt mehr "Wissenden" wirklich mehr um den Umweltschutz kümmern?

Einfache Frage, häufigere Spenden

"Wir gaben unseren Probanden etwa die Gelegenheit, ihre Teilnahmevergütung für Umweltschutzaktivitäten zu spenden", sagt Kamleitner. "Dabei zeigte sich, dass die Gruppe mit den einfacheren Fragen deutlich öfter und mehr gespendet hat."

Zudem konnten die Probanden zum Schluss bei Interesse auch einem Umwelt-Link folgen, um neues Ökowissen zu erwerben. Auch hier hat das Gefühl der Vertrautheit mit dem Thema die vermeintlich besser Informierten häufiger dazu veranlasst, sich auch noch zusätzlich mit Umweltschutz zu befassen.

Ein Gefühl von Kompetenz und damit Kontrolle zu vermitteln ist also nicht nur eine psychologisch fundierte Werbestrategie, sondern wäre auch im Schulunterricht durchaus sinnvoll. "Wenn ich das Gefühl habe, mich bei einer Sache oder einem Thema auszukennen und dafür schon etwas investiert zu haben, fühle ich mich auch ermächtigt, mehr dafür zu tun." Das gilt bekanntermaßen auch für die Arbeitswelt, in der psychologischer Besitz in Hinblick auf die Bindung an einen Job oder eine Firma eine wesentliche Rolle spielt.

Gut im Griff

In einem anderen Experiment konnten die Forscher nachweisen, wie stark Kontroll- und Besitzgefühle auch von physischen Faktoren gesteuert werden. "Wir konnten zeigen, dass Menschen vor allem für jene Produkte Besitzgefühle entwickeln, die ergonomisch gut zu ihnen passen", sagt Kamleitner. "Diese sind nämlich besonders gut kontrollierbar."

So war der Wert für "psychologischen Besitz" bei Handynutzern dann besonders hoch, wenn es ein ideales Verhältnis zwischen Daumenlänge und Bildschirmgröße gab. Menschen mit kurzen Fingern empfanden also eher Besitzgefühle, wenn das Smartphone klein war. "Wenn wir Dinge gut 'im Griff' haben, entsteht ein stärkeres Besitzgefühl und wir passen auch besser auf sie auf."

Funktioniert auch im Internet

Dass haptische Reize sogar beim Onlineshoppen ihre Wirkung nicht einbüßen, belegen inzwischen etliche Studien. Denn um Besitzgefühle für einen Gegenstand zu wecken und damit seinen gefühlten Wert zu steigern, muss ihn der potenzielle Käufer gar nicht mit eigener Hand berühren – dafür reicht schon die Vorstellung der Berührung.

Diese wird von kundigen Werbern durch eine spezielle Präsentation der Waren erreicht: etwa indem die Vorführperson mit der Hand über die Ware streicht oder verbal mit bildhaften Vergleichen nach dem Muster "flauschig wie das Fell eines Kätzchens" arbeitet.

Die Macht der Berührung prägt nicht nur unser Verhältnis zu Dingen. So zeigten Untersuchungen in der Gastronomie, dass dezente Berührungen des Gastes durch das Servicepersonal zu signifikant höheren Trinkgeldern führen. Psychologen sprechen hier vom "Midas-Effekt": Alles was dieser König aus der griechischen Mythologie berührte, wurde zu Gold. (Doris Griesser, 3.4.2019)