Dirigent Krzysztof Penderecki und Beth Gibbons während der konzertanten Aufnahmen.

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Kritiker werten die Musik der polnischen Komponisten Henryk Górecki oder Krzysztof Penderecki gern als "Oberflächenmusik" oder "Sonoristik" ab. Dem Klang wird demnach mehr Bedeutung als Motiven beigemessen und war vor allem in den 1960er-Jahren bedeutend. Neben dem estnischen Kirchenbankdrücker Arvo Pärt erfreut sich Górecki seit den 1990er-Jahren bei jüngeren, von Loops und Minimalismus kommenden Elektronikern großer Beliebtheit.

Bei ihrer Veröffentlichung 1976 untergegangen, wuchs speziell Henryk Góreckis Symphony No 3 (Symphony of Sorrowful Songs) seit ihrer Veröffentlichung 1992 auf dem US-Label Nonesuch deshalb zum Klassiker der Moderne. Damals wurden mehr als eine Million Stück des Albums verkauft.

Voluminöse Flächen

Noch bösere Zungen behaupten, es handle sich hier um ein Phänomen von "Klassik light", nicht störend anzuhören, weil breit und nonlinear erzählt, also ideal zum Nebenbeihören geeignet. Nichtsdestotrotz entwickelt diese Schichtbauweise von voluminösen Klangflächen und minimalistischen Themen unter Beifügung von Nebengeräuschen wie dem Knarzen der Saiten nach wie vor ein Faszinosum, das gern und oft neu gedeutet wird.

jgb

Unter der Leitung des Dirigenten Krzysztof Pen derecki, der das Polnische Radiosymphonieorchester durch das dreiteilige, schwermütige Werk über Verlust, Trauer und die dunklen Jahre führt, die 1939 über Polen kamen, ist nun eine ungewohnte, ungeschulte Stimme zu hören.

Elf Jahre nach ihrem letzten öffentlichen Erscheinen hat sich die von den schwermütigen britischen Studentenbudenpoppern Portishead aus den 1990er-Jahren bekannte Sängerin Beth Gibbons nicht nur an die Klassik gewagt, sondern auch an die polnische Lautsprache. Ihre brüchige und malträtierte, leicht in Verzweiflung kippende Altstimme tut dem Werk im Gegensatz zu Profisängerinnen gut. So modern klang Górecki noch nie. (Christian Schachinger, 3.4.2019)