Vier von fünf gemeldeten "antimuslimisch rassistischen" Angriffen hatten im Vorjahr Frauen als Ziel.

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Der jüngste, öffentlich bekanntgewordene und bis zum Bundeskanzler hinauf verurteilte Fall fehlt im "Antimuslimischen Rassismusreport", der am Montag von der Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus in Wien präsentiert wurde. Aber nur, weil der mittlerweile vierte Bericht dieser Art sich auf das Jahr 2018 konzentriert. Die via Facebook-Video verbreiteten antimuslimischen Beleidigungen und das Anspucken einer jungen Muslimin in Wien durch eine offenkundig psychisch gestörte, aber auch ein eindeutig antimuslimisch agierende Frau wären ein Beispiel für das, was Elif Adam von der Dokumentationsstelle als "Verfremdung" oder "Othering-Prozesse" bezeichnete.

Damit ist gemeint, dass Frauen, die in Österreich geboren oder da aufgewachsen sind, das Etikett Muslimin erhalten oder als "nicht von hier" erklärt werden, nur weil sie vielleicht ein Kopftuch tragen. Besagte Frau im Video sagte: "Das ist mein Land, du Hure." Die attackierte Muslimin erklärte: "Ich bin hier geboren." Gegenantwort: "Ja, aber du wirst nicht hierbleiben in diesem Aufzug." Konter: "Ich werde hierbleiben."

Das ist ein recht typisches Muster. Denn 83 Prozent der von der – von Ehrenamtlichen getragenen – Stelle dokumentierten Fälle von "antimuslimischem Rassismus" haben sich gegen Frauen gerichtet. In den bei der Präsentation vorgelesenen Beispielen ging es immer wieder um eine "sichtbare Muslima", also eine Frau mit Kopftuch. Allerdings gab es heuer zum ersten Mal "eine starke Zunahme männlicher Betroffener", heißt es im Bericht – von zwei Prozent im Jahr 2017 auf nunmehr 17 Prozent, die berichten, "häufiger Opfer rassistischer Polizeikontrollen" geworden zu sein.

Insgesamt stieg die Zahl der gemeldeten Fälle, die als "antimuslimisch rassistisch" verbucht wurden, von 309 Fällen 2017 auf 540 im Vorjahr – ein Plus von 75 Prozent. Die Report-Verantwortlichen erklären das mit dem mittlerweile höheren Bekanntheitsgrad ihrer Einrichtung und der Zusammenarbeit mit der Organisation Zara (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit).

Anpöbeln und herumschmieren

Was die "Art der Islamfeindlichkeit" betrifft, so dominiert das, was im Bericht als "Hate-Speech" beziehungsweise Verhetzung kategorisiert wird, mit fast der Hälfte der Fälle (46 Prozent). Ein von einer Frau M. gemeldetes Beispiel dafür wurde bei der Präsentation vorgelesen: Demnach habe eine Frau in einem Wiener Linienbus "eine Person, die Frau M. als syrischen Flüchtling wahrnimmt", als Kinderschänder beschimpft. "Zu der Tochter schreit sie: 'Sie gehören vergast!' Der Busfahrer und die Passagiere handeln sofort, und die Dame muss bei der nächsten Station den Bus verlassen."

"Besorgniserregend" sei die Zahl der Beschmierungen (Anteil an allen Fällen 17 Prozent), es gibt eine Zunahme der gemeldeten Beispiele um 50 Prozent. Als auffallendes Negativbeispiel wurde die Uni Wien genannt. "Das zieht sich seit zwei Jahren in die Länge", verwiesen Adam und Rumeysa Dür-Kwieder, die auch am Report mitgearbeitet hat, auf "über 30 Fälle nur von einer WC-Anlage auf dem AKH-Unicampus".

Es folgen: verbale Angriffe ("Kopftuchhure", "unhygienischer" Burkini, 14 Prozent), Diskriminierung (eine muslimische Security-Mitarbeiterin im Bahnhofsdienst wurde wieder abgezogen nach der SMS "Bitte keine Schwarzen und keine mit Kopftuch schicken" an die Supervisoren, sechs Prozent), Islamfeindlichkeit an Institutionen (drei Prozent), Hate-Crime (Muslimin wird in U-Bahn-Station beschimpft und beleidigt, der ihr zu Hilfe eilenden Frau wird die Brille zerstört, zwei Prozent). In die Kategorie "Sonstiges" (zwölf Prozent) verbucht die Dokumentationsstelle "Mobbing, Bespucken, Anrempeln, Kopftuchziehen und Fälle mit der Polizei", hieß es am Montag.

Die absolute Mehrheit der Vorfälle (53 Prozent) ereignete sich im Internet, 31 Prozent finden im öffentlichen Raum statt.

Kritik erging auch Richtung Politik wegen der beobachteten "Vermengung der Begriffe Islam und Islamismus". Eine Empfehlung von Adam und Rumeysa Dür-Kwieder ging daher an die Politik, aber auch die Medien: "Klare Wortwahl frei von Rassismus" und einen "bewussten, differenzierten Umgang". (Lisa Nimmervoll, 2.4.2019)