Ein Bericht zeigt auf, was bei Bioware bei der Entwicklung von "Anthem" alles falsch lief.

Foto: Bioware

Mit Anthem hat Bioware einen vorläufigen Flop geliefert. Der Loot-Shooter schnitt bei Rezensenten und Spielern gleichermaßen schlecht ab. Bei einem Prestige-Studio wie Bioware und einem finanzstarken Publisher wie EA ein Armutszeugnis. Jason Schreier von Kotaku hat sich in den vergangenen Wochen auf Spurensuche begeben um herauszufinden, was bei der Entwicklung des AAA-Titels falsch lief. Er interviewte hierfür mehrere Bioware-Mitarbeiter und ehemalige Angestellte des Studios.

Zu viel Stress für Mitarbeiter

Offenbar hatte das Studio mit mehreren Baustellen zu kämpfen. So brannten etliche wichtige Mitarbeiter während der Entwicklung von Anthem aus und verließen in weiterer Folge Bioware. Bereits bei Dragon Age: Inquisition ging die Belegschaft an ihre Grenzen und schaffte es trotz hektischer Entwicklung dann doch noch ein sehr gutes Spiel zu schaffen. Bei Anthem wurde der Bogen allerdings überspannt und etliche Mitarbeiter verließen das Unternehmen aufgrund des großen Stresses.

Niemand wusste, wo das Spiel hin soll

Bioware hatte ferner mit einer gewissen Führungslosigkeit zu kämpfen. Entscheidungen wurden herausgezögert beziehungsweise gar nicht getroffen. Dies führte dazu, dass man bei dem Spieleentwickler nie richtig wusste, wo man mit dem Game eigentlich hin will und worum es bei Anthem nun überhaupt gehen soll. Seinen traurigen Höhepunkt hatte dieses Problem kurz vor der E3 2017, als der Name des Spiels kurzfristig vor der Vorstellung geändert wurde. Anthem hätte nämlich eigentlich Beyond heißen sollen.

Demo, um CEO glücklich zu stellen

Während der Entwicklung durchstand das Game außerdem etliche Iterationen. Dies ist bei ambitionierten Spielen generell Standard, bei Anthem wurde allerdings die Geschichte mehrere Male komplett umgeschrieben und auch Funktionen integriert und wieder entfernt. EAs Ex-CEO Patrick Söderlund hatte hier auch ein großes Wörtchen mitzureden. Ihm wurde eine frühe Version des Games gezeigt, die er schrecklich fand. Um den Chef des Publishers zu überzeugen, wurde eine Demo nach seinem Geschmack entwickelt – ein Grafikwunder, bei dem man fliegen konnte.

Massive Probleme mit Frostbite

Ferner hatte Bioware auch mit der EA-Engine Frostbite zu kämpfen. Diese wurde bei DICE für den Shooter Battlefield entwickelt und brachte viele Probleme bei der Entwicklung von Anthem mit sich. Komfortfunktionen, die bei anderen Engines wie Unreal inkludiert sind, gibt es bei Frostbite etwa nicht. Probleme bei der Entwicklung, die im Normalfall in wenigen Minuten gelöst werden können, setzten bei der EA-Engine teils Tage voraus. Zudem erhielt Bioware nicht genug Support, da EAs Cashcow Fifa eine höhere Priorität hatte und somit Ressourcen für Anthem fehlten.

Warnungen wurden nicht gehört

Zuletzt hatten Mitarbeiter bei der Entwicklung immer wieder auf Probleme und Schwachstellen aufmerksam gemacht. Diese wurden aber offenbar von der Führungsetage ignoriert, weil man Anthem endlich herausbringen wollte – auch auf Kosten der Qualität. Gegenüber Kotaku schildern Entwickler, dass sie bei den Rezensionen zu dem Game etliche Kritikpunkte wiedererkannten, die sie zuvor ihren Vorgesetzten geschildert hatten. Anthem musste allerdings veröffentlicht werden. Bei internen Tests wurde dem Spiel ein Wertungsspiegel um die 75+ prognostiziert, damit war man wohl zufrieden.

Bioware attackiert Journalisten

Bereits vor der Veröffentlichung des Berichts von Kotaku, veröffentlichte Bioware ein Statement zu dem Artikel. Darin bedankte sich das Studio bei all ihren Mitarbeitern und betonte, dass man ein gutes Arbeitsklima und Konditionen bieten möchte. Bioware weist auch darauf hin, dass Spieleentwicklung kompliziert ist und diese gewisse Herausforderungen und Probleme mit sich bringt. Zugleich attackiert das Studio aber auch den Journalisten: "Wir sehen keinen Wert darin, andere oder ihre Arbeit auseinanderzunehmen. Solche Berichte machen unsere Industrie und die Entwicklung nicht besser". (red, 3.4.2019)