An Problemen, das wird auch bei der Lektüre schnell bewusst, mangelt es nicht: Und doch ist es am Ende ein positiver Ton, den Exvizekanzler Hannes Androsch und die beiden Mitarbeiterinnen des von ihm geführten Thinktanks, des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, Johannes Gadner und Bettina Poller in ihrem neuen Werk "Europa vor der Entscheidung" anschlagen. Sie sehen trotz aller gegenwärtigen Probleme hinsichtlich Ungleichheit, Migration, Digitalisierung und Populismuskrise die Zukunft in einem geeinten Kontinent – so lautet auch der Untertitel des Werks – und in einer weiteren kräftigen EU-Integration.

Verschlungene Wege

Zu diesem Schluss wird der Leser allerdings auf teilweise verschlungenen Wegen geführt. Besonders die historische Analyse ist den Autoren des Buches ein Anliegen, das sich auch in einem langen ersten Kapitel niederschlägt. Fern von den späteren optimistischen Anklängen ist hier von der oft leidvollen Geschichte des Kontinents und den Katastrophen an jenen Orten die Rede, die Politiker von Madrid bis Wien gern als die Peripherie ihres Handlungsraums sehen: vom Ersten Weltkrieg, von dessen Folgen im "Feurring" instabiler Regionen am Rand des Kontinents, von Eurosklerose und Balkankriegen. Das führt nicht immer in die Schlussfolgerungen, die am Ende des Buches zu lesen sind, ist aber ein Wert an sich: Wer sich schnell und übersichtlich über europäische Geschichte informieren will, könnte weit schlechter bedient sein als mit dem vorliegenden Werk.

Erst danach geht es im engeren Sinne um die EU: darum, wie sie aus einem Geflecht von Katastrophen und Utopien erwachsen ist – und wie sie später für einen Teil der Bevölkerung zu einem Symbol des Abgehängtseins wurde. Daher ist es auch eine andere, eine integrativere und bürgernähere Union, zu deren Vertiefung die Autoren in den abschließenden sieben Thesen aufrufen. (Manuel Escher, 3.4.2019)