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Mein Pool, meine Villa, meine Austern ...

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... wer sich derlei leisten kann, wird von vielen Deutschen misstrauisch beäugt.

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Der Appell ließ an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig. "Lasst doch den gierigen Leuten Ihre (sic!) schönen Millionen. Vielleicht gehen sie ja, so wie ich vor vier Jahren, wegen einer Erkältung zum Doc und kommen mit der Diagnose Krebs wieder. Dann (...) wird die unerträgliche Gier des Menschen in DENKEN gewandelt."

So lautet ein Kommentar im Gästebuch der ARD-Talksendung Hart aber fair, bei der es um finanzielle Ungleichheit ging. Andere Einträge hatten einen ähnlichen Tenor.

Vorurteile über Vermögende

Rainer Zitelmann wundert es nicht. "Die meisten Deutschen empfinden Reiche als egoistisch, materialistisch, rücksichtslos und gierig", sagt der Historiker und Soziologe dem STANDARD. In seinem neuen Buch (Die Gesellschaft und ihre Reichen, Finanzbuchverlag, München) hat er sich ausführlich mit den Vorurteilen über Vermögende, zu denen er sich selbst auch zählt, befasst.

Antrieb für die umfangreiche Studie, die er mit den Meinungsforschungsinstituten Allensbach und lpsos Mori durchführte, war sein eigenes Unbehagen: "Ich habe mich geärgert. Reiche sind die einzige Minderheit, über die man schlecht sprechen und negative Pauschalurteile fällen darf, ohne dass man viel Widerspruch befürchten muss."

So meinen rund zwei Drittel der Deutschen, man müsse in der Öffentlichkeit mit kritischen Äußerungen über Muslime, Ausländer und Juden vorsichtig sein. Hingegen finden nur neun Prozent, dass man sich auch mit Kritik an Reichen zurückhalten sollte.

Schuld an Problemen

Die Befragungen für die erste internationale Studie dieser Art wurden in Deutschland, den USA, Großbritannien und Frankreich durchgeführt. Fazit: Vor allem die Deutschen haben Schwierigkeiten mit dem Reichtum anderer Menschen. Der Aussage "Superreiche, die immer mehr Macht wollen, sind schuld an vielen Problemen auf der Welt, z. B. an Finanzkrisen, humanitären Krisen" stimmen in Deutschland 50 Prozent der Menschen zu. In Frankreich sind es 33, in den USA 25, in Großbritannien 21 Prozent.

Zitelmann vermutet daher, "dass sich die Aggressionen gegen Reiche und die Bereitschaft der Politik, gegen diese vorzugehen, in einer akuten Wirtschafts- oder Finanzkrise in Deutschland eher mobilisieren ließen als in den angelsächsischen Ländern".

Besonders kritisch sehen die Deutschen auch hohe Managergehälter. Die Aussage, es sei "unangemessen, wenn Manager so viel mehr verdienen, schließlich arbeiten sie nicht so viel härter und so viel mehr als ihre Angestellten", unterschreiben 63 Prozent der Deutschen. In Frankreich sind es 46, in den USA 39, in Großbritannien 34 Prozent.

Dass in den angelsächsischen Ländern die Sicht auf die Reichen deutlich positiver ist als in Deutschland und Frankreich, zeigt auch ein anderes Ergebnis. Zur Gruppe der "Neider" gehören in Frankreich 34 Prozent, in Deutschland 33, in den USA 20 und in Großbritannien 18 Prozent.

Egoistisch und materialistisch

Während die Deutschen überwiegend negative Persönlichkeitsmerkmale (egoistisch, materialistisch) mit Reichen assoziieren, findet man Vermögende in den USA, Großbritannien, aber auch Frankreich "fleißig" und "intelligent". Zitelmann schreibt in seinem Buch, es sei "vielleicht kein Zufall, dass das deutsche Wort ,Schadenfreude' in die englische Sprache übernommen wurde".

Er legte bei der Befragung auch folgende Aussage vor: "Wenn ich höre, dass ein Millionär einmal durch ein riskantes Geschäft viel Geld verloren hat, denke ich: Das geschieht dem recht." Stimmt so, sagen 40 Prozent der Deutschen, 33 Prozent der Franzosen, 28 Prozent der Amerikaner und 22 Prozent der Briten. Interessanterweise kennen die meisten Deutschen aber gar keine Millionäre. Nur 17 Prozent beantworteten die Frage nach einer persönlichen Bekanntschaft mit Ja. In Frankreich sind es 18, in Großbritannien 38 und in den USA 43 Prozent.

Minuspunkte für das eigene Selbstwertgefühl

Daraus schließt Zitelmann: "Wenn sich Menschen anderen Menschen unterlegen fühlen – in diesem Fall in der wirtschaftlichen beziehungsweise finanziellen Kompetenz -, dann neigen sie dazu, diesen Menschen auf anderen Gebieten Minuspunkte zu geben, damit das Selbstwertgefühl erhalten bleibt.

Der Autor findet nicht, dass Reiche die Vorurteile gegen sie so stehen lassen sollen und nimmt sie in die Pflicht: "Sozialneid wird es immer geben. Aber natürlich sollte man das nicht einfach so hinnehmen." Er sieht durchaus auch eine Bringschuld der Reichen: "Andere Minderheiten, so etwa Homosexuelle, haben gelernt, dass sie aktiv gegen Vorurteile kämpfen müssen, aufklären müssen. Reiche tun das nicht." (Birgit Baumann, 4.4.2019)