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Finanzminister Hammond denkt für einen Tory durchaus unkonventionell.

Foto: AP Photo/Matt Dunham

London – Eine Woche vor dem möglichen ungeregelten EU-Austritt Großbritanniens ist in London die Debatte über ein zweites Brexit-Referendum voll entbrannt. Als erstes führendes Regierungsmitglied brachte Finanzminister Philip Hammond ein zweites Referendum ins Spiel, doch wurde er umgehend von Umweltminister Matt Hancock zurechtgewiesen. Auch in der Labour Party traten diesbezüglich Differenzen auf.

Ein Referendum zur Bestätigung der Bedingungen des EU-Austritts sei "ein vollkommen glaubwürdiger Vorschlag" und verdiene es, im Parlament getestet zu werden, sagte Hammond. Wenige Stunden später sagte Hancock am Donnerstagvormittag in der BBC, er sei "sehr, sehr gegen" eine neuerliche Volksabstimmung. "Es geht darum, das Ergebnis des Referendums zu respektieren, statt es durch ein anderes Referendum infrage zu stellen."

Hohe Teilnehmerzahl bei Onlinepetition

Bei den Abstimmungen über eine Brexit-Alternative hatte der Vorschlag eines zweiten Referendums die größte Zustimmung erzielt. Zudem unterstützten sechs Millionen Briten eine Petition, in der eine Rücknahme des Brexits gefordert wurde. Realpolitisch ist das aber nur über den Weg einer neuerlichen Volksabstimmung möglich. Die konservative Regierung stemmt sich jedoch bisher dagegen, und auch Oppositionsführer Jeremy Corbyn hat die Forderung nach einer zweiten Volksabstimmung nur auf Druck seiner Parteibasis akzeptiert.

May und Corbyn nahmen am Mittwoch Gespräche über einen Brexit-Kompromiss auf. Der Labour-Chef teilte daraufhin mit, dass er die Frage eines zweiten Referendums angeschnitten, May ihren Widerstand aber bekräftigt habe. Weil das Unterhaus am späten Mittwochabend mit knapper Mehrheit ein Gesetz zum Ausschluss eines No-Deal-Brexits annahm, wurde umgehend darüber spekuliert, dass Corbyn die Referendumsforderung fallenlassen könnte.

Schatten-Außenministerin Emily Thornberry betonte am Mittwochabend in einem Brief an Corbyn, dass Labour auf einem zweiten Referendum jedenfalls "bestehen" müsse. Alles andere wäre ein Bruch von Parteitagsbeschlüssen, warnte sie. Dagegen meinte die Corbyns Lager zugerechnete Schatten-Justizministerin Shami Chakrabarti, ein Referendum könne es geben, "wenn ein Patt gebrochen werden muss". Das zweite Referendum sei "kein Selbstzweck", betonte sie in der BBC. Ihre Präferenz sei eine Parlamentswahl.

Unterhaus will Verschiebung

Das Unterhaus hat indes in der Nacht für eine Verschiebung des Brexits gestimmt, um einen EU-Austritt ohne Abkommen zu verhindern. Die Vorlage passierte das Unterhaus am Mittwochabend mit einer Mehrheit von nur einer Stimme: 313 Abgeordnete stimmten für den Text, 312 dagegen.

May hatte bereits am Dienstag angekündigt, dass sie die EU um einen erneuten Aufschub des Brexits über den 12. April hinaus bitten will. (APA, 4.4.2019)