Christian Zach,
"Austro Daimler. Bd. 1: 1899-1919".
€ 59,90 / 432 Seiten.
Kral-Verlag 2019.

Oldtimer dienen deren Besitzern – abgesehen vom Nimbus der Freiheit und Liebe zur Mobilität – in gleichem Maße als Geldanlage und Sparkasse. Manchmal könnte man auch meinen, als Sparschwein oder zumindest als Fass ohne Boden; in dem Sinne, dass diese bedingungslose Hingabe, diese Leidenschaft auch Leiden schafft.

Die Infektion

Eine besonders enthusiastische Liebe verbindet Autor Christian Zach mit der Marke Austro-Daimler. Diese geht zurück bis ins Jahr 1975. Der Autor, Jahrgang 1958, besuchte damals die HTL in Wiener Neustadt. Im Zuge der Studien fand eine Exkursion zur Ausstellung über 100 Jahre Ferdinand Porsche statt – und damals infizierte sich Zach mit dem Virus der Liebe zu Austro-Daimler. Im Jahr 1999 gründete er mithilfe des Stadtmuseums Wiener Neustadt und einiger Kombattanten, nach dem Ankauf des ersten Exponats, einem AD6, die "Sektion Austro Daimler – Verein zur Pflege und Erhaltung österreichischer Daimlerfahrzeuge".

Nun, weitere 20 Jahre, hunderte Restaurierungen, aberdutzende Ankäufe, tausende Recherchen später, nach dem manischen Sammeln, grenzenlosen Kaufen und Horten von Fotografien, Werbemitteln, historischen Dokumenten und Ersatzteilen, findet, rund um Austro-Daimler, in Wiener Neustadt die Niederösterreichische Landessausstellung 2019 unter dem Motto Welt in Bewegung statt. Diese begleitend entstand eine detailliert recherchierte, penibel beschriebene und opulent bebilderte Monografie über die Anfänge der bis heute – zumindest im Ausland – beachteten Marke Austro-Daimler. Das als Band 1 der kompletten Geschichte – Fortsetzung folgt – ausgewiesene Ergebnis ist ein phänomenales Dokument österreichischer Wirtschafts- und Zeitgeschichte. Christian Zach präsentiert die Genese von Austro-Daimler, beginnend bei konspirativen Treffen des damaligen Generalimporteurs von Gottlieb Daimler, Eduard Bierenz, mit dem Fabriksbesitzer Eduard Fischer und dem Redakteur des Neuen Wiener Tagblatts Adolf Schmal-Filius, und der Produktion erster Automobile im Jahr 1900.

Protagonisten

Österreichische Wirtschafts- und Sozialgeschichte wird luzide, allein wenn man sich die illustre Schar der seinerzeit involvierten Protagonisten vor Augen führt: Paul Daimler, Ferdinand Porsche, Bankier Camillo Castiglioni, Igo Etrich, Karl Rabe, Franz Xaver Reimspieß, Alfred Neubauer, Bierbrauer Theodor Dreher, Verkaufsgenie Emil Jellinek-Mercedes oder Sascha-Film-Begründer Alexander Graf Kolowrat.

Als genial wurde die Konstruktion des "Prinz-Heinrich-Wagens" bezeichnet. Aber auch Aero-Daimler-Flugzeugmotoren, benzin-elektrische Schwertransportsysteme, Oberleitungsbusse, Panzerwagen sowie zahlreiche Patente sind nur einige Beispiele der Hightech-Schmiede, die einst zu Weltruhm und zur Legendenbildung beitrugen.

Augenschmaus

Interessant zu lesen ist auch der Part der Investoren, der Glücksritter im Fin de Siècle, die Geschichte der Fabriken. Ausgespart werden, trotz des Enthusiasmus, weder die prekären Verhältnisse der Arbeiterschaft noch wirtschaftliche Verwerfungen in der Ära früher Industrialisierung.

Abgesehen von seinem Status als Informationsfüllhorn ist das Buch auch optisch ein imposanter Augenschmaus! (Gregor Auenhammer, 5.4.2019)