FPÖ-Vizechef und oberösterreichischer Vizelandeshauptmann Manfred Haimbuchner.

Foto: APA / Fotokerschi.at

Der steirischen Sozialistischen Jugend reicht es – und das projizierte sie auf die Fassade des Grazer Rathauses.

Foto: APA/SJ STEIERMARK

Wien/Linz – Der oberösterreichische FPÖ-Landesparteichef Manfred Haimbuchner hat erstmals Stellung zur Debatte um blaue Verbindungen zur rechtsextremen Identitären Bewegung genommen. Im Ö1-Morgenjournal betonte Haimbuchner, "dass hier eine klare Trennung zu erfolgen hat".

Er bezog sich damit auf das Mietverhältnis – DER STANDARD berichtete – zwischen einem FPÖ-nahen Verein in der Villa Hagen und der Identitären, die dort Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen. Haimbuchner betonte: "Die FPÖ vermietet an niemanden etwas." Die Sachlage sei aber so, "dass das durchaus ein Grund ist, wo man einen Mietvertrag jetzt auch kündigen kann. Das muss dieser Hausverein für sich selbst entscheiden."

Mitarbeiter soll "Info-Direkt"-Anteile überdenken

Ähnliches gelte für jenen FPÖ-Mitarbeiter, der 30 Prozent Anteile am rechtsextremen und den Identitären nahestehenden Medium Info-Direkt hält. Jan Ackermeier ist politischer Referent bei Haimbuchner und Mitarbeiter des Linzer FPÖ-Vizebürgermeisters und Verkehrsreferenten Markus Hein. Ackermeier musste vor neun Jahren seinen Job in einem blauen Parlamentsbüro räumen, nachdem der STANDARD publikgemacht hatte, dass er einen Wandertag mit Rechtsradikalen organisiert haben soll.

"Herr Ackermeier ist kein Identitärer, ist dort auch nicht engagiert und ist ein einfacher Mitarbeiter, und ich finde es, ehrlich gesagt, schwerstens bedenklich, wenn man jetzt nicht nur politische Funktionäre angreift. Herr Ackermeier hat sich nichts zuschulden kommen lassen", sagte Haimbuchner im Ö1-Interview dazu, fügte aber auch hinzu: "Er wird sich darüber Gedanken machen, ob es gescheit ist oder nicht, Anteile an einer Zeitschrift zu halten. Das ist seine persönliche Entscheidung."

Grundsätzlich will sich der FPÖ-Vizevorsitzende, der in Oberösterreich in einer schwarz-blauen Koalition mitregiert, in dieser Diskussion nicht treiben lassen, sagt er kurz vor dem Landesparteitag der Freiheitlichen am Samstag.

"Völlig überzogene Angelegenheit"

Auch Distanzierungsaufforderungen gegenüber den Identitären wies Haimbuchner zurück: "Ich habe überhaupt keinen Grund, mich groß von allem Möglichen zu distanzieren. Ich habe keine Gemeinsamkeiten, deswegen brauche ich mich nicht groß zu distanzieren – auch nicht von den Grünen oder Sozialdemokraten oder Christdemokraten. Ich halte das für eine völlig überzogene Angelegenheit."

Der geltende Vorstandsbeschluss der FPÖ sage ganz klar aus, dass jemand, der bei der Identitären Bewegung Mitglied sei, nicht bei der FPÖ Mitglied sein könne oder bei den Freiheitlichen aktiv.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker hat dazu – im Rahmen eines Scharmützels mit ORF-Redakteuren – ein Faksimile eines "Beschlussprotokolls" via Twitter verbreitet:

Auf die Frage, ob dieser Beschluss auch für das "Mitmarschieren" oder "Fahnen tragen" bei Demos der Identitären gelte, meinte Haimbuchner: "Das ist auch so eine Sache, wo wir deutlich darauf schauen werden." Aber durch den Parteibeschluss sei "auch derartiges Engagement unerwünscht" – und auch "mit Konsequenzen verbunden".

Kein Platz für Identitäre im Parlament

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach sich am Freitag ganz klar gegen identitäre Parlamentarier und auch Parlamentsmitarbeiter aus. "Es wird so was nicht geben können. Da muss man sich entscheiden". Jede Partei müsse hier "ganz klar einen Trennungsstrich machen", sagte Sobotka.

Einen solchen erkennt er auch bei der FPÖ. Parteiobmann Heinz-Christian Strache habe sich "sehr klar ausgedrückt, dass eine Mitgliedschaft bei den Identären und bei der FPÖ nicht kompatibel ist. Für mich geht's darum: Ist das, was gesagt wurde, auch umgesetzt?" Auf die Frage eines Journalisten, was passiere, wenn dem nicht so sei, antwortete der Nationalratspräsident: "Wir werden das mit Sicherheit aufzeigen. Das wird für mich nicht möglich sein, das zu tolerieren."

Beim Thema Radikalismus sei "jede Partei gefordert. Ich kenne genüg andere Sachen, wo zweifelhafte Kontakte auch von anderen Parteien schon aufgetreten sind", sagte Sobotka. "Radikalismus hat meiner Meinung nach in unseren derzeit demokratisch gewählten Parteien keinen Platz."

Sellner brachte als Teenager Aufkleber mit Hakenkreuz an Synagoge an

Die "Kleine Zeitung" berichtet indes über einen Vorfall aus der Jugendzeit des Chefs der Identitären, Martin Sellner. Demnach hat dieser als 17-Jähriger mit einem gleichaltrigen Gesinnungsgenossen einen Aufkleber mit einem Hakenkreuz und der Aufschrift "Legalisiert es" an der Außenmauer der Synagoge in Baden bei Wien angebracht.

Die Sicherheitsbehörden erstatteten Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt. Zwei Tatverdächtige konnten ermittelt werden, einer der beiden war Martin Sellner. Er musste – auf Basis einer Diversion – 100 Stunden Dienst am jüdischen Friedhof in Baden leisten.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) distanzierte sich noch Donnerstag am späten Abend: Die Enthüllungen seien "widerlich", als Bundeskanzler werde er "keine neonazistischen Umtriebe dulden", schrieb er via Twitter.

Sellner antwortete ebenfalls via Twitter auf die "Enthüllungen", wie er schrieb. Demnach "gab es ein Verfahren, eine Diversion und ich habe meine Lektion gelernt. Jahre später setzte ich mich mit neurechtem Denken auseinander und brach klar mit jedem Antisemitismus und Rassismus."

Dass die Geschichte nun, 13 Jahre später, in den Medien lande, findet Sellner "erbärmlich", auch wenn seine Aktion damals "natürlich ein totaler Schwachsinn" war: "Wir waren jung, deppat und wollten einfach provozieren, also möglichst radikal sein und das total Verbotene tun. Dabei gerieten wir unweigerlich in die NS-Szene. Ähnlich wie andere Spitzenpolitiker heute."

"Bis die FPÖ Wachs geworden ist in den Händen von Kurz"

Sellner wollte sich am Freitag dann noch einmal rechtfertigen – und zwar via Online-Videomonologs. In zehn Minuten erklärte der Rechtsextreme darin, dass er damals "tatsächlich rassistisch, xenophob und antisemitisch" unterwegs gewesen sei und provozieren wollte. Mit dieser Ideologie habe er gebrochen, nicht aber mit seinem Patriotismus.

Er ortete eine Kampagne gegen sich. Diese "mediale Nazi-Trommelfeuer" werde weitergehen, "bis die FPÖ Wachs geworden ist in den Händen von Sebastian Kurz".

Bereits im Grazer Identitären-Prozess 2018 war Sellners einschlägige Vergangenheit Thema gewesen. Der Richter sprach ihn auf seinen Kontakt zu rechtsradikalen Personen wie etwa Gottfried Küssel an, mit dem er auf einem Foto zu sehen ist. "Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich in meiner Jugend in diesen Kreisen war, aber ich habe mich davon gelöst", beteuerte Sellner. "Aber das Foto stammt aus 2010 oder 2011. Das ist knapp vor der Gründung der IBÖ", warf der Richter ein. Sellner blieb dabei, dass er nun nichts mehr damit zu tun habe.

Steirische SJ setzt großflächiges Zeichen gegen Identitäre

In Graz wiederum machte die steirische Sozialistische Jugend (SJ) die Rathausfassade zur Projektionsfläche für politischen Aktionismus gegen die Identitären. Die SJ warf ein farbiges Lichtbild auf die Fassade, mit dem FPÖ-Vizebürgermeister Mario Eustacchio wegen seiner Aussagen zu den Identitären zum Rücktritt aufgefordert wurde: "Eustacchio und Sickl – Es reicht! – Schleicht's euch!" lautete der Spruch.

Auf der Wand vor dem Gemeinderatssitzungssaal wurde ein Bild von Eustacchio – umrahmt von einem Verkehrs-Verbotszeichen – projiziert. Der Grund dafür sei, dass Eustacchio sich nicht von der Identitären Bewegung und dessen Leiter Martin Sellner distanzieren wolle, wie die SJ in einer Aussendung monierte.

Gleichzeitig habe der Vizebürgermeister mit Gemeinderat Heinrich Sickl den Vermieter für das Büro der Identitären in der Steiermark in seinen Reihen, hieß es. Das Identitären-Büro ist als "Hackherzentrum" offenbar nach dem Kommandanten der Verteidiger der Schloßbergfestung gegen die Franzosen 1809, dem Pionier-Major Franz Hackher benannt.

Eustacchio sei als Vizebürgermeister der Menschenrechtsstadt Graz untragbar, er und Sickl müssten zurücktreten, sagten SJ-Steiermark-Vorsitzende Maja Höggerl und die Grazer SPÖ-Gemeinderätin Anna Robosch.

Für Kunasek ist alles gesagt

Für Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) ist im Zusammenhang mit den Identitären und dem Umgang mit Soldaten im Bundesheer, die Mitglieder oder Unterstützer der rechtsextremen Bewegung sind, alles gesagt. Auch zu Eustacchio, seinem Vize als steirischer FPÖ-Landeschef, gab er sich am Freitag zugeknöpft. "Wir haben einen geltenden Beschluss und wir waren eine der ersten Landesparteien, die diesen umgesetzt haben", sagte Kunasek vor Journalisten bei einem Festakt anlässlich der Aufstellung des neuen Kommandos "Streitkräftebasis" in der Heckenast-Burian-Kaserne in Wien.

Bei seiner Festansprache betonte der Verteidigungsminister abermals, dass es im österreichischen Bundesheer "keinen Platz für Extremismus" gebe, so Kunasek: "Ganz gleich von welcher Seite er kommt". Er habe alle Kommandanten "angehalten, genauestens hinzuschauen" und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen.

Bürgermeister Nagl sieht noch Klärungsbedarf

Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) hingegen verlangte am Freitag in der Causa Identitäre Bewegung Österreich und mögliche FPÖ-Verbindung deutlich eine Klarstellung von seinem Stellvertreter in der Stadt. "Vizebürgermeister Eustacchio ist aufgerufen, sein persönliches Verhältnis, aber auch das der Grazer Freiheitlichen zu den Identitären unmissverständlich klarzustellen".

Nagl hatte in einer Aussendung am Freitag festgehalten: "Rechtsradikale, rassistische oder neonazistische Ansichten sind weder mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu legitimieren, noch mit dem Fehlen strafrechtlicher Verurteilungen zu tolerieren. Graz als erste europäische Menschenrechtsstadt hat hier eine besondere Verantwortung, die für alle Mitglieder des Stadtsenats wie auch des Gemeinderats zu gelten hat." (nim, APA, 5.4.201).