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Der Uni-Zulassungsbetrug betrifft auch Stanford.

Foto: AP/Ben Margot

Der Uni-Zulassungsbetrug betrifft auch Stanford. Bösewicht ist der Segelcoach, der sofort entlassen wurde. Er hat sich von Eltern bestechen lassen, damit deren Kinder einen Studienplatz in Stanford bekommen. Wie bei den meisten angeklagten Sporttrainern gibt es keine Hinweise auf persönliche Bereicherung, das Geld floss in den Collegesport. Die Behörden ermitteln derzeit gegen acht Eliteunis, neben Stanford auch Yale, Georgetown, die University of Texas in Austin und die University of California in Los Angeles.

An den Pranger

Der Fall wirft viele Fragen auf, z. B. zur überhöhten Bedeutung des Collegesports. Da gibt es Extrastudienplätze für Leistungssportler, für die dann Ausnahmen von den strengen Zulassungsregeln gemacht werden. Eine zweite Frage betrifft die Brutalität der Massenmedien: kein Schutz der Persönlichkeitsrechte der Angeklagten, die noch lange nicht rechtskräftig verurteilt sind. Die Medien nennen nicht nur die Hollywood-Stars, sondern auch "normale" Eltern und deren Bestechungszahlungen. Mit den Studenten, die in vielen Fällen – gerade bei den gefälschten Leistungstests – gar nichts von den Interventionen der Eltern wussten, hat niemand Mitleid.

Fraglich ist auch, ob die hochselektiven Eliteunis mit ihren Ablehnungsraten von 90 Prozent bis 95 Prozent wirklich die besten Studienprogramme bieten. Diese Unis sind forschungsorientiert, ihre Professoren spielen sich von der Lehre frei, so gut sie können, und im Undergraduate-Bereich werkeln viele externe Lehrbeauftragte (adjuncts) – nicht in Stanford übrigens. Forschungsorientierte Kriterien sind für die Reputation und das Top-Ranking der Elite-Unis verantwortlich. Rankings, die vorgeben, nur die Qualität des Studiums zu berücksichtigen, befragen Studierende, Absolventen und Arbeitgeber und erzielen dann aufgrund des Halo-Effekts ähnlich Ergebnisse. Die tollen Betreuungsrelationen von 1:5 sind fiktiv, wenn ein Drittel der Faculty gar nicht lehrt oder maximal einen Kurs anbietet.

Die Absolventen profitieren sicher durch den Reputationsgewinn. Ob sie an den Eliteunis aber ein besseres Studium bekommen, bleibt offen. Einiges spricht dagegen. James March, der 2018 verstorbene Stanford-Professor und Doyen der Management- und Organisationsforschung, zeigte 1978 in einer Studie, dass forschungsintensive und finanziell gutdotierte Departments in der Lehre weit weniger innovativ und engagiert sind als die forschungs- und finanzschwächeren.

Bessere Karriereaussichten?

Zahlt es sich überhaupt aus, große Summen in Bestechung zu investieren, um seine Sprösslinge an Eliteunis zu bringen? Sind die Karriereaussichten um so viel besser, wenn man Stanford, Harvard oder Yale absolviert hat? Erstaunlicherweise konnte man diese Fragen lange nicht seriös beantworten. Natürlich verdienen die Absolventen von Eliteunis besser – aber sie kommen auch aus anderen sozialen Schichten, und die Auswahlverfahren sorgen schon dafür, dass die Schlaueren und Fleißigeren jeder Kohorte aufgenommen werden.

Erst in den letzten Jahren gibt es bessere Längsschnittdaten und statistische Methoden, um diese Effekte zu isolieren. Die New Yorker Soziologen Witteveen und Attewell haben festgestellt, dass Eliteunis in den ersten drei Jahren nach Abschluss im Schnitt neun Prozent Mehreinkommen bringen. Je nach Vergleichsgruppe schwankt das Plus zwischen sechs Prozent gegenüber der zweiten Liga und zwölf Prozent gegenüber der Regionalliga. Diese Schere wird nicht viel größer, wenn man die ersten zehn Karrierejahre betrachtet. Ungefähr zehn bis zwölf Prozent Mehreinkommen werden auch durch eine Studie aus Texas bestätigt. Umwerfend ist das nicht. Es braucht dann eine sehr gute Gehaltsentwicklung und 30 Jahre Zeit, damit sich ein Bestechungsinvestment von 200.000 Dollar amortisiert.

Allerdings spielt das soziale Herkunftsmilieu eine viel größere Rolle, wenn man auf eine normale Uni geht. Insofern könnte man glauben, dass Eliteunis zumindest Chancengleichheit unter ihren Absolventen herstellen. Das stimmt jedoch nur beschränkt. So verdienen auch dort Frauen um 16 Prozent weniger als Männer (Basis: Vollzeitjob). Afroamerikaner und Latinos profitieren zwar vom Besuch einer Eliteuni – insofern sind die umstrittenen Quoten gerechtfertigt -, aber der Abstand zu den Weißen und Asiaten bleibt gleich. Immerhin verbessern Eliteunis die Heiratsaussichten ihrer Absolventen dramatisch: Frauen finden viel leichter Männer mit hohem Einkommen, und Männer finden leichter Frauen aus wohlhabenden Familien.

Wettrüsten

Die Eltern sorgen sich ja nur um das Wohl ihrer Kinder. "Opportunity Hoarding" nannte das der Soziologe Charles Tilly: nur ja keine Gelegenheit auslassen, um seinen Kindern sozialen Aufstieg zu erleichtern. Das "Hamstern von Gelegenheiten" bringt ein Wettrüsten bei Bildungsentscheidungen. Dieser Ungleichheitsvirus ist längst auf Österreich übergesprungen.

Eine der Wurzeln des heimischen Übels ist der freien Hochschulzugang: Wenn hier Hans und Franz alles studieren dürfen und mehr als die Hälfte jeder Alterskohorte ein Studium beginnt, dann muss man seine Kinder schon an eine Eliteuni ins Ausland schicken. Die Zahl dieser Auslandsstudierenden steigt exponentiell und wird immer gefährlicher für die heimischen Universitäten, denen die besten Studierenden abhandenkommen. (Michael Meyer, 9.4.2019)