Das hat gerade noch gefehlt. Die deutschen Autobauer, wegen des Abgasthemas und der dürftigen Fortschritte in der E-Mobilität ohnehin unter Dauerbeschuss, haben sich zu einem umweltfeindlichen Kartell zusammengeschlossen. So lassen sich die Anschuldigungen der EU-Kommission zusammenfassen, die am Freitag in Brüssel veröffentlicht wurden. VW, Daimler und BMW sprachen sich demnach bei der Einführung von Katalysatoren für Dieselfahrzeuge und von Feinstaubpartikelfiltern für Benzinmotoren ab.

Das heißt konkret aus Brüsseler Sicht: Verbrauchern wurden bessere Abgasreinigungssysteme verwehrt, obwohl die deutschen Konzerne über umweltfreundlichere Technologien verfügt hätten. Erhärten sich die Vorwürfe, drohen den Konzernen Milliardenstrafen, sofern sie nicht in die Kronzeugenregelung fallen. Wer die Ermittlungen mit wichtigen Informationen unterstützt, kann straffrei ausgehen.

Kronzeugenregelung

VW und Daimler sollen diesen Status anstreben, ist schon vor einiger Zeit durchgesickert. BMW hingegen hat die Anschuldigungen stets zurückgewiesen. Es sei immer die neueste Abgasfiltertechnik genutzt worden, beteuert der Münchner Autobauer. VW will die Sache vorerst nicht kommentieren, Daimler erwartet keine Bußgeldzahlung, da mit den Behörden kooperiert worden sei.

Der Lack ist ab

Doch ob Strafe oder nicht: Die Hersteller stehen neuerlich im Verdacht, sich am Kunden vergriffen zu haben. Das wird in Deutschland langsam zur Routine. Man denke nur an Dieselgate. Seit im September 2015 bekannt wurde, dass Volkswagen seine Abgaswerte mit einer Abschalteinrichtung manipuliert hat, ist der Lack ordentlich angekratzt. Doch es geht längst nicht nur um die Schummelsoftware selbst, sondern um den Umgang mit der Affäre und um die Neupositionierung – insbesondere in der Frage der CO2-Reduktion.

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Fahrverbote wie hier in Stuttgart setzen dem Diesel ordentlich zu.
Foto: Dpa/Marijan Murat

Während Volkswagen in den USA, wo die Manipulation aufgeflogen war, Buße tat, mauert der Weltauto-Konzern in Europa. Die Halter von elf Millionen Diesel-Pkws in Europa wurden zu Umrüstungen gebeten, die obendrein den Verbrauch erhöhen können. Hunderttausende Kläger, die Entschädigung für den behaupteten Wertverlust geltend machen wollen, lassen die Wolfsburger abprallen. Erst wenn eine höchstgerichtliche Entscheidung droht, vergleicht sich Volkswagen mit den Beschwerdeführern.

Die ganze Tragödie der Branche mit fast einer Million Mitarbeitern allein in der Stammbelegschaft und ihrer Funktion als Leitindustrie hat eine lange Geschichte. Die Autobauer haben sich angesichts der steigenden Bedeutung von CO2-Emissionen immer mehr dem Diesel verschrieben. Der Selbstzünder mit seinem niedrigeren Verbrauch schien die Lösung, der höhere Ausstoß giftiger Stickoxide wurde auf die leichte Schulter genommen oder verschleiert.

Kassenfahrt

Mit "Clean Diesel" und ähnlichen Behübschungen schafften es BMW, Daimler und Volkswagen jahrelang, sich das ökologische Mäntelchen umzuhängen und dabei Milliardengewinne einzufahren. Der Elektromotor wurde hingegen auf Distanz gehalten. Warum schon in eine neue Technik investieren, wenn die Kassen mit altem Antrieb klingeln?

Das rächt sich jetzt. Mit dem Dieselrückgang, Fahrverboten und der schwachen Position in der E-Mobilität wird es für die deutschen Autobauer verdammt hart, die vorgeschriebenen CO2-Werte zu erreichen. 2030 müssen die Emissionen im Vergleich zu 2020 um 37,5 Prozent gesenkt werden. Deutschland hatte sich – wieder einmal – vehement für laxere Ziele ausgesprochen, was – wieder einmal – die engen Verflechtungen zwischen Industrie und Politik offenbarte. Die Allianz von Konzernbossen und Gewerkschaften bildet regelmäßig eine schlagkräftige Liaison mit den Unionsparteien und der SPD.

Strengere Ziele vereitelt

Ohne den Widerstand aus Berlin wäre auf EU-Ebene ein viel strengeres Ergebnis zur CO2-Reduktion möglich gewesen. Das gleiche Spiel spielten die Deutschen auch schon bei früheren EU-Auflagen für den Flottenverbrauch. Die engen Verbindungen zwischen Politik, Industrie und Wissenschaft ziehen sich wie ein roter Faden durch viele Affären und Fehlentwicklungen, zu denen auch im Vorjahr aufgeflogene Versuche an Affen zählen.

Affentests

Der Vorsitzende des Forschungsbeirats der Tests, die von VW, Daimler und BMW finanziert wurden, war übrigens 15 Jahre lang Leiter einer Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die sich mit gesundheitsschädlichen Arbeitsstoffen beschäftigt.

Politik, Konzerne und die Wissenschaft sind in Deutschland stark verwoben. Die gemeinsam errichtete Schutzmauer um die Autowerke hat sich in den letzten Jahren zusehends als Innovationshindernis erwiesen. Dafür werden die Hersteller jetzt bestraft. Ausgerechnet in einer Zeit, in der sie wegen des Umbruchs in der Branche mit Vollgas in die neue Autozukunft fahren sollten. (Andreas Schnauder, 5.4.2019)


Es raucht ordentlich in der deutschen Autobranche.