Ende der 1990er herrschte Aufbruchstimmung in der Telekombranche. Immer mehr Menschen legten sich Handys zu und zahlreiche Haushalte fanden Anschluss ins Internet. Doch der Zugang zum weltweiten Netz war eine teure Angelegenheit. Denn die Provider ließen sich den Zugang, meist per Telefonmodem und ISDN, pro Minute bezahlen, was am Monatsende für so manche Überraschung auf der Telefonrechnung sorgte.

Das sollte 1999 beginnen, sich zu ändern. Der deutsche Anbieter Mobilcom, heute als Mobilcom-Debitel ein Teil des Freenet-Konzerns – preschte Anfang des Jahres mit dem Tarif "Tomorrow" auf den deutschen Markt, wobei man mit dem gleichnamigen Tech-Magazin kooperierte. Mit 77 D-Mark (heute rund 52 Euro) war die Monatsgrundgebühr höher als bei der Konkurrenz. Dafür bot man allerdings eine bisher nicht da gewesene Kostensicherheit.

Ansturm auf erste Quasi-Flatrate

Denn zu Nachtzeiten zwischen 19 und 7 Uhr sowie an Wochenenden und gesetzlichen Feiertagen rund um die Uhr konnten Nutzer dieses Pakets dauerhaft online sein und ihr Modem oder die ISDN-Karte glühen lassen, ohne zusätzliche Gebühren entrichten zu müssen. Abgeschaut hatte man sich dieses Modell, so schrieb der damalige "Tomorrow"-Chefredakteur Willy Loderhose, aus den USA. Nur so könne man der "digitalen Wegelagerei" Einhalt gebieten und Deutschland "am globalen Boom der Zukunftsbranchen teilhaben", schrieb er. Argumente, die man auch aus späteren Debatten über neue Internettechnologien, Stichwort: 5G, kennt.

"Bereits in diesem Jahr wird ein Großteil der deutschen Nutzer mit Flat fees surfen", prophezeihte Loderhose. Anlass dazu gab die hohe Nachfrage nach der neuen Quasi-Flatrate. Über 20.000 Kunden fand diese laut ihm bereits in den ersten Tagen. Er sollte allerdings nicht Recht behalten.

Foto: Tomorrow/zur Verfügung gestellt von Andrew Brighton

Ende wegen zu großen Erfolgs

Schon am 20. Februar nahm die Mobilcom den Tarif wieder aus dem Programm. Ihm war sein eigener Erfolg zum Verhängnis geworden, berichtete der "Focus" damals. Verbraucherschützer waren auf die Barrikaden gestiegen. Es hatten sich Kundenbeschwerden über langsame Geschwindigkeit, Verbindungsabbrüche und Einwahlprobleme gehäuft, weil das ISDN-Netz der Surffreude der User nicht gewachsen war. Der Firma drohte eine Vertragsstrafe wegen mangelhafter Gewährleistung des zugesicherten Internetzugangs.

Surf 1 als erste "echte" Flatrate

Daraufhin machten andere Anbieter, die ähnliche Tarife angekündigt haben, einen Rückzieher. Ehe schließlich die Firma Silyn-Tek im Oktober 1999 auf den Plan trat, wie das Portal Onlinekosten.de berichtete. Man wollte in Deutschland eine "echte" Flatrate – also auch ohne jeglicher Tageszeiteinschränkung – an den Start bringen.

Foto: Tomorrow/zur Verfügung gestellt von Andrew Brighton

Preislich war man allerdings deutlich teurer unterwegs. 225 Mark monatlich (heute 153 Euro) wollte man und verlangte zudem eine dreijährige Bindung, stellte aber immerhin Preisanpassungen in Aussicht. Scheinbar mit Erfolg. Zwar sind keine genauen Zahlen bekannt, aber schon im Dezember verkürzte man die Bindefrist auf ein Jahr und stutzte den Preis auf 190 Mark In weiterer Folge lieferte man zudem eine Prepaid-Flatrate für 100 Mark und der Preis des regulären Angebots sank auf 140 Mark. Journalisten erhielten sogar Zugang zum halben Preis.

Pionierprojekt endete im Konkurs

Was nach außen hin als Geschäftsmodell zu funktionieren schien, war tatsächlich aber ein Verlustgeschäft, denn die Kunden machten eifriger von dem Angebot Gebrauch, als man erwartet hatte. Silyn-Tek meldete bereits im August 2000 Insolvenz an. Gegen den Gründer und seinen Partner wurde aufgrund des Verdachts auf Scheinrechnungen ein Haftbefehl erlassen. Dennoch kann man Surf1 als den deutschen Flatrate-Vorreiter sehen, zogen damals doch gleich mehrere Konkurrenten mit eigenen "All you can surf"-Angeboten nach.

Ein 56k-Modem des Herstellers Elsa, aus dem unter anderem das Unternehmen devolo hervorging. Eine taiwanische Nachfolgefirma unter gleichem Namen stellte Grafikkarten her und ist heute im Bereich LED-Technik aktiv.
Foto: Elsa

Österreich: Erste Flatrate war Weihnachtsangebot

Deren Verfügbarkeit hatte sich auch bis nach Österreich durchgesprochen, wo die Telekom Austria (nunmehr A1) aufgrund der 1998 erfolgten Liberalisierung des Marktes ihr Netz öffnen und sich mit ernsthafter Konkurrenz auseinandersetzen musste.

Ende 1999 stellte man schließlich eine ISDN-Flatrate unter dem Namen "Aon Complete" vor. Für 599 Schilling (heute rund 63 Euro) warb man zum Weihnachtsgeschäft mit unbegrenztem Surfvergnügen, während man mit dem Providerverband ISPA im Clinch ob des Zugangs anderer Anbieter zum DSL- und ISDN-Netz im Clinch lag.

Damals vertrieb die Telekom Austria ihre Internetangebote unter der Marke "A-Online", kurz: Aon.
Foto: Web Archive/aon.at

"Tomorrow"-Déjà-vu für Telekom Austria

Die Lektion aus Deutschland hatte man allerdings nicht gelernt. Der Ansturm war riesig, allerdings auch die Welle an Beschwerden über Surfprobleme dank akuter Netzüberlastung und dauerbesetzter Support-Hotline. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) übte heftige Kritik. In der Mittags-Talkshow "Willkommen Österreich" (nicht zu verwechseln mit dem heutigen Latenight-Format) forderte der damalige Leiter der Rechtsabteilung und heutige "Jetzt"-Politiker Peter Kolba Gutschriften für die enttäuschten Kunden.

Der Forderung kam der Betreiber dann auch nach. Nutzer von "Complete" und anderen ISDN-Paketen erhielten die Grundgebühr für den Januar 2000 zurückerstattet. Die Probleme bekam man letztlich nicht zeitnah in den Griff – und stampfte das Flatrate-Paket im Februar wieder ein. Bestehende Kunden behielten allerdings ihren Zugang und kosteten ihn weiter aus. Der Telekom Austria war der Kostenfaktor aber offenbar zu hoch. Anfang 2005 führte man für die verbliebenen 25.000 "Complete"-User eine Downloadbeschränkung von zehn Gigabyte ein. (Georg Pichler, 08.09.2019)

Hinweis: Die "heute" Preisangaben im Text sind inflationsbereinigt.