Stromüberschuss im Norden Deutschlands und großer Bedarf der Industrie im Süden bringen das deutsche Leitungsnetz zum Glühen. Auf der Strecke bleiben österreichische Abnehmer wie die Voest.

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Die negativen Auswirkungen der Trennung der deutsch-österreichischen Strommarktzone ist endgültig bei den Stromkunden angekommen. Der Strompreis steigt, das spüren insbesondere Produktionsbetriebe schmerzhaft. Der Fleisch- und Wurstverarbeitungsbetrieb Greisinger in Münzbach im Mühlviertel beziffert die Mehrkosten allein von Oktober 2018 bis Jänner 2019 mit 51.000 Euro.

Für das Gesamtjahr 2019 rechnet Firmenchef Franz Greisinger aufgrund des Aufschlags durch die deutsche Lieferbeschränkung auf den vereinbarten Tarif mit 150.000 bis 250.000 Euro an Mehrkosten. Er will die vom deutschen Energieregulator Bundesnetzagentur verordnete Schlechterstellung nicht hinnehmen und bekämpft das Strommarktsplitting in Brüssel.

Beschwerde wegen Diskriminierung

Anders als Verbund, Voestalpine, Austropapier und die Energiebörse Exaa, die im Jänner beim Kartellgericht am Oberlandesgericht Wien die Abstellung des Marktmissbrauchs durch den mit der Strompreiszonentrennung betrauten deutschen Übertragungsnetzbetreiber Tennet TSO GmbH begehrten, hat Fleischverarbeiter Greisinger eine Beschwerde bei der EU-Kommission wegen Diskriminierung eingebracht. "Wir fordern die EU-Kommission auf, so wie in Schweden zu agieren", sagen Greisingers Anwälte Georg Maderbacher und Michael Poduschka.

Zwischen Schweden und Dänemark gab es seinerzeit einen echten Engpass, der nach Intervention der EU-Kommission aufgelöst wurde. Die schwedische Netzagentur habe die Kontingentierung aufgeben, ein Vertragsverletzungsverfahren war somit obsolet.

Maderbacher und Poduschka ermuntern nun die EU-Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten. Denn die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekom, Post und Eisenbahnen in Bonn habe hoheitlich gehandelt. Die Diskriminierung der österreichischen Stromabnehmer erfolgte somit namens der Bundesrepublik Deutschland, und das sei klar gegen die in den EU-Verträgen festgeschriebene Warenverkehrsfreiheit im Binnenmarkt, heißt es in der vorige Woche eingebrachten Beschwerde.

Kein Engpass

Im Gegensatz zu Schweden und Dänemark gibt es an der deutsch-österreichischen Grenze weder technisch noch physikalisch einen Engpass. Das Leitungsnetz gehöre zu den bestausgebauten in Europa, wird man beim Verbund nicht müde zu betonen.

Genau deshalb sei das unter Berufung auf die Empfehlung der EU-Netzagentur Acer eingeführte "Engpassmanagement" an der deutsch-österreichischen Grenze, also die mengenmäßige Beschränkung des Stromhandels auf 4900 Megawatt eine lupenreine Diskriminierung, ist Maderbacher überzeugt. Der Engpass bestehe vielmehr in Deutschland, und die Bundesnetzagentur verlagere dieses Problem an die österreichische Grenze, anstatt es mittels sogenannter "Bidding zones" zu entschärfen. Dabei definiert der Regulator Gebiete, in denen die vorhandene Elektrizität nach Angebot und Nachfrage verkauft wird.

Begünstigung für Deutsche

Die Folgen sind dramatische Strompreissteigerungen für österreichische Unternehmen, während energieintensive deutsche Unternehmen begünstigt würden. Das sei klar im Widerspruch zu Art. 16 der EU-Verordnung 714/2009, wonach Netzengpässen mit nicht diskriminierenden Methoden zu begegnen ist. Das Vorgehen der Bundesnetzagentur hingegen führe zu einer verbotenen Diskriminierung von nicht in Deutschland ansässigen Unternehmen, heißt es in der Beschwerde, weil es "im Inland produzierte Energie in großem Umfang dem Inlandsverbrauch – insbesondere dem Verbrauch in Süddeutschland – vorbehält. Das könnte eine verbotene Diskriminierung darstellen, dann müssten die betroffenen Marktteilnehmer für die Einschränkung entschädigt werden. (Luise Ungerboeck, 6.4.2019)