Die schwerstreiche Prinzessin weiß zwar, was sie will, nämlich einen Bürgerlichen – jenen, der gerade auf ihrem Schloss die chaotische Privatbibliothek in Ordnung bringt. Der Musikgelehrte in Geldnöten allerdings weist ihre diskreten Sympathiegesten beharrlich zurück. Er will und kann nicht durch den Vorhang der Standesgrenzen schreiten, es ist gar zu ärgerlich für die Dame.

An sich ist er ja nicht verklemmt. Nur in Gegenwart der Blondine mutiert Dr. Roger Fleuriot zum sprachlosen Bibliothekar, der scheinbar noch nie eine Frau gesehen hat. Da helfen in der Wiener Volksoper kein Kaviar und kein Schampus.

In der Tür-auf-Tür-Zu-Komödie "Meine Schwester und ich" gibt sich Prinzessin Saint-Labiche (Lisa Habermann) als Verkäuferin aus, um Fleuriot (Lukas Perman, li.) zu beeindrucken.
Foto: Volksoper/Barbara Pálffy

Es muss Dolly, also Prinzessin Saint-Labiche, zu fantasievollen Waffen greifen: Sie erfindet spontan eine Schwester, die in einem Schuhgeschäft – geruchsmäßig abgehärtet – Typen wie Monsieur Camembert (Georg Wacks) vom Zustand der Barfüßigkeit befreit. Nichts wie hin zum Geschäft von Herrn Filosel, um dort schnell anzuheuern und dem begehrten Gelehrten in der Rolle ihrer armen Schwester dienstbar zu begegnen.

Von seiner Sozialphobie befreit, soll Dr. Fleuriot der Dame sein Herz öffnen. Und so geschieht es auch: Ralph Benatzkys Kammeroperette Meine Schwester und ich beginnt zwar vor Gericht mit der Scheidungsanbahnung. Fleuriot (elegant in jeder Liebeslage Lukas Perman) hat die Täuschung der Prinzessin (nun Gemahlin) aufgedeckt und schildert in einem hitzigen Monolog seine abgrundtiefe Frustration auch über das nunmehr sorglose Leben.

Volksopern-Trailer
Volksoper Wien

Allerdings herrscht kein Zweifel daran, dass in diesem Boulevardstück vom männlichen Aschenputtel ein Happy End droht. Mag der Bücherwurm noch so beklagen, ihn würde ein Leben als wohlhabender Untätiger zwischen Golf und Gelage nerven. Ihre Liebe hilft schließlich, die schrecklichen Nachteile extremen Reichtums zu überwinden.

Nun ja. Das märchenhafte Stück zieht sich quasi durch Tempo und Slapstick selbst aus dem Sumpf des Leichtgewichtigen. Exaltierten, ins Revuehafte sich aufschwingenden Tanzszenen (Choreografie: Andrea Heil) folgt heitere Situationskomik. Im Schuhgeschäft der großen Gefühle, wenn der Besitzer zum notorischen Genie des sein Gegenüber beleidigenden Sprachunfalls wird, erreicht die Inszenierung ihren Höhepunkt. Regisseur Robert Meyer lässt der Figur Raum. Die Szene ufert aus, während Herbert Steinböck als Schuhhändler Filosel (den Robert Meyer auch darstellen wird) eine absurde Pointe nach der anderen serviert. Der Moment wird zum Stück im Stück.

Daneben Angenehmes und Solides: Auch Graf Lacy de Nagyfaludi (Carsten Süss) und Kammerdiener (Nicolaus Hagg) bemühen sich effektvoll um die Gunst der quirligen Prinzessin (tadellos Lisa Habermann). Nur Irma, die echte Verkäuferin (Johanna Arrouas), schert sich wenig um die Adelige und sucht ihre eigenen Wege in den lukrativen Ehehafen.

Die nette Musik, in der Tango, Slowfox und Charleston längst an die Operettentür klopfen, ist beim flexiblen Volksopernorchester gut aufgehoben. Dirigent Guido Mancusi versteht die unterschiedlichen Stilwelten pointensicher animierend zu vermitteln. Das wird wohl ein Hit. (Ljubisa Tosic, 8.4.2019)