Viele Aldi-Kunden ahnten vom Streit nichts, denn eigentlich ist die Familie sehr diskret. Doch das Testament der Grande Dame Cäcilie Albrecht offenbart nun Einblicke in familiäre Verwerfungen.

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Dass eine alte Frau ihre Schwiegertochter nicht mag – kommt vor. Dass sie ihr noch zu Lebzeiten die Teilnahme am Begräbnis verbietet – hat man schon gehört. Doch der Furor, mit dem Cäcilie Albrecht, die legendäre Miteigentümerin des Diskonters Aldi Nord, ihre Schwiegertochter Babette noch posthum verfolgt, sorgt derzeit in Deutschland für Schlagzeilen.

Die Witwe von Aldi-Nord-Gründer Theo Albrecht starb im November 2018 im Alter von 91 Jahren. Kürzlich wurde ihr Testament bekannt, und darin offenbart sich, wie zerstritten eine der reichsten Unternehmerfamilien Deutschlands ist. Mit ihrem letzten Willen versucht Cäcilie Albrecht einen Teil ihrer Nachkommen von künftigen Geschäften auszuschließen.

Schwiegertochter Babette, Witwe von Cäcilies verstorbenem Sohn Berthold, und ihre fünf Kinder (also die Enkel der Matriarchin) sollen in den Stiftungen keinen Einfluss mehr haben. Denn diese Nachkommen würden "selbstherrlich und eigenmächtig" handeln und "nur sich selbst bedienen" wollen. Deswegen seien sie "ungeeignet für die Übernahme leitender Verantwortung". Lieber soll der Zweig von Cäcilies zweitem Sohn, Theo Albrecht junior, den Konzern leiten.

Trennung in Nord und Süd

Schon die legendären Aldi-Brüder Karl und Theo, die das Unternehmen groß machten, konnten nicht miteinander. 1961 teilten sie die Firma – angeblich nach einem Streit um Zigaretten im Sortiment – in Aldi Nord und Aldi Süd (in Österreich Hofer) auf.

"Am Beispiel Aldi zeigt sich, dass es ein Potenzial, aber eben auch ein Risiko sein kann, eine Firma als Familienunternehmen zu führen. Konflikte werden beim Generationenwechsel oft ungelöst weitergetragen", sagt Heiko Kleve, der an der Universität Witten/Herdecke den Lehrstuhl für Organisation und Entwicklung von Unternehmerfamilien innehat.

Streit in vielen Unternehmerdynastien

Da ist es für Aldi nur ein schwacher Trost, dass es noch mehr prominente zerstrittene Familienunternehmen gibt. Aktuell berichtet Bild am Sonntag von schweren Verwerfungen in der Einzelhandelsdynastie Tengelmann (Obi, Kik, Netto). Vor einem Jahr verschwand Chef Karl-Erivan Haub beim Skifahren in der Schweiz. Nun wollen seine Brüder, Christian und Georg, die Unternehmensanteile des Verschollenen kaufen, um dessen zwei Kinder aus dem Unternehmen zu halten.

Diese wehren sich, weil sie selbst die Geschäfte führen wollen, sind aber auf ihre Onkel angewiesen. Denn sobald ihr Vater für tot erklärt wird und die beiden Kinder seinen Anteil erben, wird Erbschaftssteuer in dreistelliger Millionenhöhe fällig. Üblicherweise wird diese vom Unternehmen gezahlt. Doch im Falle Tengelmann bestätigt ein Sprecher "unterschiedliche Standpunkte".

Beispiel Oetker

Auch im Pudding-und-Pizza-Imperium Oetker aus Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) kämpfen seit Jahren die acht Kinder aus den drei Ehen des 2007 verstorbenen Patriarchen Rudolf-August Oetker um Einfluss im Konzern.

Vor kurzem brachten die drei jüngsten Geschwister aus dritter Ehe Klage beim Landgericht Bielefeld ein, weil sie mit der Besetzung des mächtigen Beirats nicht einverstanden sind. Immerhin ruht die Klage jetzt, man versucht sich außergerichtlich zu einigen. Es wäre ganz im Sinne des Vaters, der sich vor seinem Tod "Harmonie und Eintracht" gewünscht hatte.

Adoption als List

Den eigenen Nachwuchs auszubooten hingegen versuchte Alfred Darboven. Der 82-jährige Hamburger "Kaffeekönig" setzte dabei auf eine ungewöhnliche Strategie: Um seinen Sohn bei der Erbfolge zu umgehen, wollte er den Erben der Bremer Kaffeedynastie Jacobs adoptieren.

Doch der leibliche Sohn, der mit dem Vater völlig zerstritten ist und der sogar aus der Familienchronik getilgt wurde, legte Einspruch ein, das Amtsgericht Hamburg-Blankenese untersagte daraufhin die Adoption.

Manchmal hilft eben nur noch die Trennung, wie im Falle der Keksdynastie Bahlsen. Dort hatten sich die Stämme so zerstritten, dass das Unternehmen in zwei Bereiche aufgeteilt wurde. Bahlsen produziert seither Süßes, der Bruder unter seinem Namen Lorenz Salziges. Jetzt herrscht Ruhe.

Konfliktlösung als Priorität

Dennoch rät Firmenforscher Kleve belasteten Unternehmen, zunächst die Konflikte zu lösen zu versuchen: "Man muss von der vertikalen Loyalität gegenüber den Vorfahren zur horizontalen Loyalität zwischen allen aktiven Mitgliedern einer Familie kommen." Dazu gehöre, sich Berater ins Haus zu holen und die Auslöser des Zwists anzusehen.

Denn die Struktur eines Familienunternehmens biete, wenn alles gut läuft, eigentlich viele Vorteile. Kleve: "Die meisten wollen nicht bloß kurzfristig Gewinne erzielen, sondern lassen Geld im Unternehmen, weil sie an dessen langem Bestehen interessiert sind." (Birgit Baumann aus Berlin, 8.4.2019)