1999 begann es in Bogota mit einer Fahrraddemonstration. Seitdem ist jeder Sonntag in einem Großteil der Acht-Millionenstadt autofrei. Hunderttausende Fahrradfahrende nutzen diesen Tag, um quer durch die Stadt zu fahren, rundherum oder auf eine der nahen Hochebenen. 120 Kilometer autofrei in der Stadt. Wer hier einmal mitgeradelt ist, bekommt eine Ahnung davon, was eine autofreie Stadt wäre. Was die Hauptstadt von Kolumbien kann, müsste jede österreichische Stadt locker hinkriegen, dürfte man meinen.

Bogota gehört den Radfahrenden, jeden Sonntag.
Foto: Sandra Köster

Good urban planning, bad result!

Dabei hat es Bogota als Stadt wahrlich nicht einfach gehabt. Es liegt auf fast 3000 Metern Höhe mitten im Landesinneren, hat mit großen sozialen Unterschieden zu kämpfen und mit informellen Stadtteilen, die sich schier endlos auszubreiten scheinen. Kolonialen Unterdrückungen folgten Bürgerkrieg, Guerillakämpfe mit der FARC und Terror durch das Paramilitär, dazu ein alles dominierender Drogenkrieg. Lange Zeit wagten sich Bewohnende der Stadt kaum, abends aus dem Haus zu gehen. Schön langsam erholt sich die Stadt. Umso erstaunlicher ist es, dass Bogota, trotz aller Kämpfe gegen andere und mit sich selbst, diesen autofreien Sonntag seit drei Jahrzehnten durchzieht, Sonntag für Sonntag. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Luft ist sehr schlecht, sie ist merklich dünner als anderswo durch die Höhe und dazu einfach stark verschmutzt. In den 70ern setzte man in der Stadtplanung alles auf das Auto als Verkehrsmittel. Moderne Stadtplanung hatte – wie etwa in Istanbul und vielen anderen Städten auch – gute Vorsätze mit lockerer Bebauung, viel Grün dazwischen und entflochtenem Verkehr. Jedoch passierte in Bogota das, was in vielen anderen Großstädten auch passierte. Die Stadt wuchs, die Parks wurden verbaut und was blieb ist eine sehr dichte Stadt mit viel Straßen und sehr viel Verkehr. 

Auch wenn es dicht wird bleibt man entspannt.
Foto: Sandra Köster
Die Stadt polarisiert zwischen arm und reich, das Radfahren jedoch verbindet.
Foto: Sandra Köster

Der autofreie Tag, eine Reminiszenz?

Erinnert sich jemand der Lesenden noch an den autofreien Tag in Österreich im Zuge der sogenannten Energiekrise? Ich schon. Unser Tag in Graz war der Mittwoch. Das Pickerl mit MI kam auf den Renault R16. Das Ergebnis war semieffektiv. Viele Leute hatten ohnehin zwei Autos mit zwei Pickerln. Andere fuhren an allen anderen Tagen doppelt so viel wie sonst. Und selbst Pickerl-Betrug griff um sich. Zudem war die Maßnahme nicht gerade populär für Politikerinnen und Politiker. Versuchen Sie einmal, in einer österreichischen Stadt etwas für Fußgeher und gegen Autofahrer zu tun. Es wird Ihr politischer Tod sein. Der autofreie Tag damals wurde eingeführt, weil nicht genug Öl vorhanden war für all die Autos, die man sich wünschte. Heute wäre der Grund für einen solchen Tag ein gegenteiliger, man möchte weniger Autos und würde weniger Öl verbrauchen und eine bessere Stadtumwelt gewinnen. Unpopulär wäre der Tag aber so oder so. 

Die Luft ist besser, die Perspektive eine andere, Radfahren ist besser als Autofahren.
Foto: Sandra Köster
Die Kommunikation ist eine andere. Autofahrer reden nicht miteinander, Radfahrer schon.
Foto: Paul Eis

Die Zukunft der Stadt ist autofrei

Und doch bin ich mir sicher: Die Zukunft der Städte wird autofrei sein. Wir sollten uns schon jetzt darauf einstellen. Kaum ein junger Mensch in der Stadt zwischen 20 und 30 Jahren besitzt heute noch ein Auto. Viele teilen sich zu fünft eines. Andere machen gar keinen Führerschein mehr. Es ist ein wenig wie mit dem Skifahren: Den Kindern Skifahren beizubringen überlegt man sich heute dreimal. Es ist umweltschädigend, teuer, durch Schneemangel kaum möglich und gefährlich. Analog dazu schenkt man besser keinen Führerschein mehr zur bestandenen Lehrabschlussprüfung oder Matura. Ein eigenes Auto macht heute ähnlich wenig Sinn wie sich das neueste Skimodell zu kaufen. Auch wenn die Industrie das nicht gerne hört. Sowohl Schi wie auch Autos müssen verkauft werden, deshalb erschließt man Gebiete, baut Parkplätze an Talstationen und zersiedelt weiter, damit Autos unabkömmlich werden.  
 
Ich plädiere für einen autofreien Sonntag in allen Bundeshauptstädten Österreichs. Über einige skifahrfreie Sonntage pro Wintersaison könnte man noch nachdenken. (Sabine Pollak, 12.4.2019)

Veranstaltungshinweis: Am 9. Mai findet im Splace am Hauptplatz in Linz das internationale Architektursymposium SUPERSTADT, SUPERLINZ statt. Dabei wird es um akute Fragen der Stadtplanung in Linz gehen – wie eben auch die Frage des Verkehrs. Eingeladen sind dazu 15 internationale Vortragende, die zeigen, wie es in Linz oder auch in anderen Städten gehen könnte. Eintritt frei.

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