Martin Patzelt rät seiner CDU, notfalls auch mit der AfD zu regieren, um sie zu entzaubern.

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Martin Patzelt ist ein Fan von Schwarz-Grün. Zur Not könne man aber auch mit der AfD koalieren.

Ob er eine Mission habe oder Pionierarbeit leisten wolle, das wird Martin Patzelt nun manchmal gefragt. Dann schüttelt der CDU-Bundestagsabgeordnete den Kopf. Nein, wirklich nicht. Aber er verrät gerne seine Motivation: "Ich bin 71 Jahre alt, und ich will nichts mehr werden." Da fällt es leichter, ein Tabu zu brechen, und das tut Patzelt. Er rät seiner Partei (als Erster und Einziger), eine Koalition mit der AfD nicht auszuschließen.

Seit Patzelt das ausgesprochen hat, erreichen ihn böse Briefe, aber auch aufmunternde Worte. Durch Letztere fühlt er sich bestätigt, von den Kritikern wünscht er sich, dass sie zuerst mal hinhören.

Patzelt stammt aus dem ostdeutschen Brandenburg, er war von 2002 bis 2010 Oberbürgermeister in Frankfurt/Oder. Nun blickt er sorgenvoll auf die Landtagswahl am 1. September.

AfD statt den Grünen

Derzeit wird Brandenburg von einer SPD-Linke-Koalition regiert, die die CDU gern ablösen würde. "Am liebsten wäre mir ja Schwarz-Grün", sagt Patzelt zum STANDARD, "aber ich fürchte, es wird nicht reichen." Dabei denkt er auch an die beiden Ostländer Sachsen und Thüringen, wo ebenfalls im Herbst gewählt wird.

"Wenn es rechnerisch nur für ein Bündnis aus CDU und AfD reicht, dann müssen wir eben mit der AfD reden", sagt Patzelt, der eigentlich nicht im Verdacht steht, gern mit den Rechen zu flirten. Im Gegenteil: Patzelt gilt als "Merkelianer", er hat zwei Flüchtlinge aus Eritrea in seinem Privathaus aufgenommen.

Mit Thüringens AfD-Chef Björn Höcke und dessen "Flügel", der vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen eingestuft wurde, habe er "überhaupt nichts am Hut", versichert Patzelt. Auch das Menschenbild der AfD missfalle ihm zutiefst: "Es geht um die gleiche Würde von allen Menschen", meint er, "nicht nur jene der Deutschen."

In der Koalition entzaubern

Doch Patzelt, der früher Sozialarbeiter war, misst einem etwaigen Experiment CDU/AfD durchaus auch erzieherischen Wert bei: "In einer Koalition könnte man die AfD entzaubern." Dann würde sich zeigen, dass viele Lösungen, die sie anbietet, nicht funktionieren. Außerdem sei es auf Dauer unklug, Millionen von Wählern auszugrenzen.

Der Abgeordnete hofft außerdem, in einer Koalition die gemäßigteren Kräfte der AfD zu stärken, und bemüht dafür sogar ein Zitat von Ex-Kanzler Willy Brandt zur Ostpolitik: "Wir brauchen Wandel durch Annäherung."

Gemeinsamkeiten mit den Rechten

An oberster Stelle macht er sich mit diesen Aussagen nicht viele Freunde. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sind strikt gegen Bündnisse mit der AfD, es gibt dazu auch einen Beschluss des Parteivorstandes. Andere Parteien wollen mit den "Schmuddelkindern" ebenso wenig paktieren. Patzelt rät daher zu Nüchternheit: "Wir müssen einen Katalog der Gemeinsamkeiten deklinieren." Er denkt dabei an Schul- sowie Sicherheitspolitik und sieht auch sonst Gemeinsamkeiten. CDU und AfD seien für bessere Bekämpfung der Fluchtursachen, beide Parteien wollen auch den Begriff Heimat mit Leben füllen.

Auf anderer Ebene hingegen werden die Gräben gerade wieder tiefer. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak fordert den AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier auf, sein Mandat niederzulegen: "Wer sich so abhängig macht von anderen Mächten, kann nicht unabhängiger Walter der Interessen des deutschen Volkes im deutschen Parlament sein."

Mehrere Medien hatten berichtet, Frohnmaier werde gezielt von Moskau unterstützt, um russische Interessen im Bundestag zu fördern. (Birgit Baumann aus Berlin, 9.4.2019)