Aus der früheren Metzgerei (noch früher "beim Hugo") in Wien-Hütteldorf machte Wirt Gerhard Lindner das Lindbergh.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Backhendl wird laut Karte nach dem Vorgaren in Sous-vide-Beuteln mit Panko-Bröseln paniert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Manchmal geht Gastronomen die Kreativität auf faszinierende Weise durch, wenn sie über Konzept und Namen ihrer Lokale brüten. Das Lindbergh, ein neues Restaurant mit Fliegerdeko im 14. Bezirk, ist dafür ein hübsches Beispiel.

Man kann nur fantasieren, wie Konzept und Name in diesem Fall zueinanderfanden. Vielleicht so: Charles Lindbergh war Luftfahrtpionier. Gerhard Lindner versteht sich als Pionier der Zubereitung von Wiener Schnitzel, Pommes und Backhendl. Also hat er sein neues Lokal Lindbergh getauft, der hieß schließlich irgendwie ähnlich, und ein Pionier war er ganz bestimmt.

Außerdem ist die Deko bei so einem Namen aufgelegt: allerhand Paraphernalia aus der Welt der Fliegerei, schwarze Tafeln, auf denen "Der Captain empfiehlt" oder "Welcome on board" steht, außerdem jede Menge Propeller.

Die passen doppelt gut: In den Kombidämpfern, die den Stil, den Geschmack und die Ausrichtung von Lindners Küche entscheidend bestimmen, sind schließlich Ventilatoren eingebaut. Lindner war zuletzt Vertreter eines deutschen Kombidämpferherstellers, davor kochte er schon einmal im Café des Motto am Fluss und an anderen Lifestyle-Adressen der Stadt.

Der Flugplan als Speisekarte

Dass er seine Gerichte nunmehr ausschließlich im Garautomaten kocht, reduziert deren Fettgehalt speziell bei Schnitzel, Pommes und anderem, gemeinhin Frittiertem angeblich um bis zu 90 Prozent, außerdem soll die Zubereitung besonders schonend sein. Das klingt doch gut, immerhin kann man sich so bei gleichbleibend schlechtem Gewissen problemlos etliche Schnitzel und Pommes mehr pro Woche reinschieben.

Die Speisekarte, Flugplan genannt, ergeht sich in nicht immer glücklichen Anspielungen aus der Welt des Fliegens. So wird gegrillte Flughendlbrust (Schenkelklopf!) auf einer "Landebahn aus Erdäpfel-Vogerlsalat" serviert. Die entsprechende Bremsspur gibt es auch, in Form von Kernöl. Das Fleisch ist so weich und saftig, wie man es bei Sous-vide-Vorgegartem kennt – ob das markante Grillrostmuster aufgesprüht oder auf sonstige geheimnisvolle Weise im Kombidämpfer entstanden ist, bleibt rätselhaft.

Notfall!

Cordon bleu aus dem Kombidämpfer wird unter der Bezeichnung "Mayday" angepriesen, der Notruf darf auch explizit als Warnung verstanden werden: Es kommt mit dunkelbraunen Röstflecken auf der ansonsten graubeigen – aber nicht unknusprigen – Panier zu Tisch, innen schmiegen sich zwei schmale Fleischlappen an ein Schinkenblattt mit schmelzkäsiger Fülle – von maßlos satter Zufriedenheit und dem wahren Fritter-Feeling, welche dieser Ur-Ziegel mitteleuropäischer Gastro-Mast gefälligst zu vermitteln hat, kann aber gar nicht die Rede sein. Dazu gibt es Pommes, auch aus der Kochmaschine, die zwar im Frittierkörbchen serviert werden, aber so trostlos geschmacklos an angetrocknetes Pappmaché erinnern, dass man sich als Gast fast für den Koch geniert.

Backhendl wird laut Karte nach dem Vorgaren in Sous-vide-Beuteln mit Panko-Bröseln paniert, die charakteristisch grob strukturierte, krachknusprige Oberfläche der Japan-Brösel fehlt aber völlig, dafür gibt's (siehe Bild) dieselben, seltsamen Röstflecken auf der Beige-Panier wie beim Cordon. Das Fleisch erinnert in seiner pastösen, geradezu cremigen Konsistenz an Terrine – eventuell hat da etwas mit der Garzeit im Beutel nicht gepasst.

Das Lokal scheint dessen ungeachtet gut zu gehen, der Wirt macht also eindeutig nichts falsch. Für Wiener, die sich armselige Schnitzel-, Cordon- und Pommes-Doubles aus dem Heißluftföhn schmecken lassen, nur weil diese angeblich bloß halb so böse für die Arterien sind wie die Originale, gilt aber das Gegenteil. (Severin Corti, RONDO, 12.4.2019)