"Mein Verhältnis zum Fahrradfahren ist ein sehr pragmatisches. Ich betrachte das Fahrrad in der Stadt genauso wie auf dem Land als ein sehr praktisches Fortbewegungsmittel. Auf der anderen Seite sehe ich im Fahrrad ebenso ein ästhetisches Objekt mit durchaus skulpturalem Charakter, auch wenn ich kein fanatischer Freak bin. Die gibt's natürlich auch. Mir gefallen der einfache Aufbau und die Schnickschnack-befreite Geometrie des Designs, also die Kombination von dreieckig und rund.

Meine enge Beziehung zum Fahrrad geht ferner auf ein Erlebnis zurück, das ich vor acht Jahren in Laos hatte. Ich fuhr mit einem geliehenen Mountainbike, das leider sehr ramponiert war, 70 Kilometer über Stock und Stein bis in die Nacht hinein. Das Rad verfügte über kein Licht, und Straßenbeleuchtung ist in Laos vielerorts ein Fremdwort. Egal wie ich mich auch plagte, diese Überwindung hat mir gezeigt, wie nahe ich dem Ding namens Fahrrad stehe. Außerdem habe ich beim Fahrradfahren nie das Gefühl, langsam zu sein oder Zeit zu verlieren.

Rita Huber zwischen ihren Lastenrädern, auf denen man schon ein bisschen mutiger sein sollte als auf einem normalen Rad. Schließlich sind Gewicht, Bremsaufwand und Wendekreis entsprechend größer.
Foto: Katharina Gossow

Staubschicht

Privat besitze ich ein einfaches, leichtes Rennrad, das aus Zeitmangel eine leichte Staubschicht angesetzt hat, ein Crossbike und mein schwarzes Stadtrad, ein schlichtes Damenrad, mit dem ich täglich unterwegs bin, weil es für Langfinger weniger attraktiv ist. Bei unserem Lieferservice gibt es insgesamt zehn Lastenräder. Die passen einfach am besten zu unserem geschlossenen, umweltbewussten und nachhaltigen System. Das beginnt beim Einkauf biologischer Zutaten, geht weiter mit unserer Art der Zubereitung und endet mit der Auslieferung mit dem Lastenrad, die den CO2-Fußabdruck möglichst klein halten soll.

Gestartet haben wir 2014, und unsere Erfahrungen bisher sind sehr positiv. Anfangs dachten wir, es wäre schwierig, Boten für den Job zu finden, aber das Gegenteil war der Fall, auch wenn man auf einem Lastenrad schon etwas mutiger sein sollte, schließlich ist nicht nur der Kraftaufwand ein größerer, sondern auch der Bremsaufwand, wenn man mit bis zu 80 Kilo Liefergut unterwegs ist. Man braucht mehr Platz, der Wendekreis ist ein anderer et cetera.

Aber es läuft gut, und wir sind in den für uns relevanten Lieferzeiten schneller unterwegs, als die motorisierten Mitbewerber. Wir liefern auch nicht on demand, das heißt, Bestellungen werden nicht einzeln ausgeliefert, sondern gesammelt. Dadurch fahren wir weniger leere Kilometer und sind effizienter unterwegs. Logistisch helfen wir uns dadurch, dass man schon am Vortag die Bestellungen aufgeben muss. Sagen wir es so, wir sind ganz gut im täglichen "Tetris-Spiel".

Fahrradfahren als Lifestyle

Klar gibt es hin und wieder ein Strafmandat, aber das gehört dazu, und ich finde es auch okay, wenn gestraft wird, sollte man mal eine rote Ampel übersehen. In Sachen Aggressionen seitens der Fußgänger oder Autofahrer sind wir bisher abgesehen von einigen Flüchen mit einem buchstäblichen blauen Auge davongekommen.

Einer unserer Lieferanten wurde von einem Autofahrer abgepasst, der ihm tatsächlich ein Veilchen verpasste. Wie es der Zufall wollte, sah unser Fahrer den Kerl noch am gleichen Tag durch die Auslage eines Frisörs und hat die Polizei gerufen.

Klar sehe ich, dass Fahrradfahren in den vergangenen Jahren immer mehr Teil eines Lifestyles wurde. Gerade in der Rennradszene schauen die Leute darauf, welche Trikots sie tragen, dass alles zusammenpasst, und wo man nach der Tour welchen Kaffee trinkt. Bis zu einem gewissen Grad verstehe ich das auch.

Ich ärgere mich eher über Menschen, die eine tolle Ausrüstung haben und dann mit den Schlapfen herumfahren und nicht bremsen können. Beherrschung steht vor Lifestyle. Aber egal, ob das Fahrrad immer mehr "instagramable" wird oder nicht, die Entwicklung trägt in jedem Fall dazu bei, dass mehr Menschen vom Auto aufs Fahrrad umsteigen und auch sportlicher werden, was letztendlich auch die Infrastruktur für Fahrradfahrer verbessern wird. Hoffentlich.

Außerdem kommt die Sache auch der Botenszene zugute. Man schenkt Berufsfahrern mehr Aufmerksamkeit, und es wird attraktiver, einen Job zu machen, bei dem man dafür bezahlt wird, schadstofffreien Sport zu machen." (Michael Hausenblas, RONDO, 21.4.2019)