Bjørn Lomborg sieht die aktuellen Schulstreiks gegen den Klimawandel skeptisch. Der dänische Politikwissenschafter und Statistiker kritisiert die jahrzehntelange Panikmache und plädiert für einen ruhigeren Ansatz, um den Klimawandel angstfrei zu bekämpfen.

Überall in der reichen Welt schwänzen Kinder die Schule und gehen auf die Straßen, um Maßnahmen gegen den Klimawandel einzufordern. Obwohl ihre Leidenschaft bewundernswert ist, ist ihr Fokus fehlgeleitet. Dies ist weitgehend die Schuld der Erwachsenen, die die Verantwortung dafür übernehmen müssen, dass sie Kinder unnötig mit dem Klimawandel ängstigen. Es ist kein Wunder, dass Schülerinnen und Schüler Angst kriegen, wenn Erwachsene ein derart schreckliches Bild der globalen Erwärmung malen.

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Die Aktivistin Greta Thunberg schimpft, dass Medien und Politiker die globale Erwärmung ignorieren, und will, dass wir "Panik kriegen".
Foto: Reuters / TT NEWS AGENCY

Jahrzehntelange Panikmache

Zunächst einmal haben führende Politiker und große Teile der Medien dem Klimawandel gegenüber anderen Problemen, vor denen unser Planet steht, sehr wohl Priorität eingeräumt. So hat im September UN-Generalsekretär António Guterres den Klimawandel als ein "unmittelbar existenzbedrohliches" Problem beschrieben, das außer Kontrolle geraten könne. Im Februar veröffentlichte die New York Times auf der Titelseite den Kommentar "Zeit, in Panik zu verfallen". Und einige prominente Politiker sowie viele Aktivisten haben den jüngsten Bericht des UN-Klimarats (IPCC) so interpretiert, als ginge in zwölf Jahren die Welt unter.

Diese Normalisierung extremer Formulierungen spiegelt Jahrzehnte der Panikmache wider. Der berühmteste Ausschnitt aus Al Gores Film Eine unbequeme Wahrheit (2006) zeigt, wie ein Anstieg des Meeresspiegels um sechs Meter Florida, New York, die Niederlande, Bangladesch und Schanghai überfluten würde – und lässt dabei die Tatsache unerwähnt, dass dies siebenmal schlimmer wäre als das Worst-Case-Szenario. Ein separater Bericht aus dem Jahr 2006 beschreibt, wie eine derartige Panikmache "sogar insgeheim zum Nervenkitzel werden könnte – faktisch zu einer Form von 'Klimaporno'". Und 2007 meldete die Washington Post, dass "die globale Erwärmung für viele Kinder die Atombombe von heute" sei.

Fiktion als Lehrmaterial?

Wenn die Formulierungen dann keine Angst mehr machen, wird eskaliert. Der britische Umweltaktivist George Monbiot etwa hat vorgeschlagen, dass der Begriff Klimawandel nicht mehr ausreiche und man ihn durch Klimakatastrophe ersetzen solle.

Bildungsmaterialien sind häufig ebenfalls keine Hilfe. Ein staatlich unterstütztes Erdkundebuch in Großbritannien legt nahe, dass die globale Erwärmung schlimmer als Hungersnot, Pest oder Atomkrieg ausfallen werde, während Education Scotland The Day After Tomorrow als für die Aufklärung geeignet empfohlen hat. Man erinnere sich: Dies ist der Film, in dem der Klimawandel zu einer weltweiten Eiszeit führt, eine 15 Meter hohe Wasserwand New York überflutet und menschenfressende Wölfe aus dem Zoo ausbrechen.

Eingefroren: New York im Film "The Day After Tomorrow".
20th Century Fox

Ein Problem – aber nicht annähernd eine Katastrophe

Die Realität würde viel weniger Zeitungen verkaufen. Die globale Erwärmung ist ein Problem, aber nicht annähernd eine Katastrophe. Der IPCC schätzt, dass uns die Gesamtauswirkung der globalen Erwärmung bis in die 2070er-Jahre einen durchschnittlichen Einkommensverlust von 0,2 bis zwei Prozent bescheren wird – ähnlich einer Rezession im Verlauf des nächsten halben Jahrhunderts. Der Klimarat sagt auch, dass der Klimawandel im Vergleich zur Bevölkerungs-, Alters-, Einkommensentwicklung, zum technologischen Wandel, zur relativen Preisentwicklung oder zu Veränderungen beim Lebensstil, bei der Regulierung und der Regierungsführung "geringe" wirtschaftliche Auswirkungen haben wird.

Und während die Medien die erschreckenden Auswirkungen jedes Orkans zeigen, stellt der IPCC fest, dass "es weltweit wenig Vertrauen in die Annahme gibt, dass die Veränderungen (bei Orkanen) auf menschlichen Einfluss zurückzuführen sind". Mehr noch: Die Anzahl der Orkane, die auf die US-Küste treffen, hat genau wie die Zahl schwerer Orkane abgenommen. Bereinigt um Bevölkerungszahl und Vermögen zeigen die Kosten der Orkane laut einer in Nature veröffentlichten neuen Studie "keinen Trend" auf.

Eine weitere Studie in Nature zeigt, dass der Klimawandel die Orkanschäden zwar steigern wird, dass uns unser größerer Reichtum jedoch noch widerstandsfähiger dagegen macht. Heute kosten Orkane die Welt 0,04 Prozent vom BIP. Doch im Jahr 2100 werden sie selbst mit globaler Erwärmung lediglich halb so viel kosten. Und anders als den atemlosen Medienberichten zu entnehmen, sind die relativen weltweiten Kosten aller Extremwetterereignisse seit 1990 tatsächlich nicht gestiegen, sondern zurückgegangen.

Grüne Energie erforschen ...

Zugleich haben uns Jahrzehnte der Panikmache kaum weitergebracht. Was sie bewirkt haben, waren großartige politische Gesten, wie etwa das Versprechen unrealistischer Senkungen der CO2-Emissionen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens von 2015 durch fast alle Länder. Insgesamt werden diese Senkungen ein bis zwei Billionen US-Dollar jährlich kosten. Die Gesamtsumme aller dieser Versprechen jedoch beläuft sich auf weniger als ein Prozent dessen, was erforderlich ist. Jüngste Analysen zeigen, dass nur sehr wenige Länder ihre Zusagen tatsächlich einhalten.

In dieser Hinsicht haben die jungen Demonstranten recht: Die Welt schafft es tatsächlich nicht, das Problem Klimawandel zu lösen. Doch eine Forcierung dieser Politik – noch größere Versprechen über eine noch schnellere Kohlenstoffreduzierung – wird ebenfalls scheitern, weil die grüne Energie noch immer nicht so weit ist. Sonne und Wind liefern derzeit weniger als ein Prozent der weltweiten Energie und erfordern schon jetzt Subventionen von 129 Milliarden US-Dollar jährlich. Die Welt muss mehr in die Erforschung und Entwicklung grüner Energie investieren, um die Preise für erneuerbare Energien irgendwann unter jene fossiler Brennstoffe zu drücken, damit alle darauf umstellen.

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Jetzt handeln? Nur sehr wenige Länder halten ihre Zusagen im Rahmen des Pariser Klimaabkommen ein.
Foto: ap/Michel Euler

... und kühlen Kopf bewahren

Und obwohl die Medienberichte die Klimaproteste der Jugendlichen als "global" beschreiben, finden sie bisher fast ausschließlich in den wohlhabenden Ländern statt, die dringendere Probleme beim Kampf ums Überleben überwunden haben. Eine wirklich globale Umfrage zeigt, dass der Klimawandel die deutlich geringste Priorität für die Menschen hat – weit nach Gesundheit, Bildung und Arbeitsplätzen.

In der westlichen Welt haben Jahrzehnte der Übertreibung in Bezug auf den Klimawandel verängstigte Kinder, fiebrige Überschriften und großartige, nicht eingelöste politische Versprechen hervorgebracht. Wir brauchen einen ruhigeren Ansatz, der den Klimawandel bekämpft, ohne uns unnötig in Angst zu versetzen, und der die vielen anderen Herausforderungen, vor denen der Planet steht, nicht aus den Augen verliert. (Bjørn Lomborg, Übersetzung: Jan Doolan, Copyright: Project Syndicate, 9.4.2019)