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Während die EU und China zumindest versuchen, sich die Hände zu reichen, richten die USA neue Drohungen in Form zusätzlicher Vergeltungszölle in Richtung Brüssel.

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Das Gastgeschenk aus dem Reich der Mitte kam schon vor der chinesischen Delegation zum Gipfel mit den EU-Spitzen in Brüssel an. Die staatliche Zollkommission hatte im Vorfeld angekündigt, die Einfuhrzölle auf etliche Warengruppen merklich zu reduzieren. Bei Büchern, Möbeln, Nahrung und Arzneien sinkt die Einfuhrabgabe von 15 auf 13 Prozent, für Kleidung, Fahrräder und Sportgeräte fallen nur noch 15 statt zuvor 25 Prozent an. Ein Schritt, mit dem sich Pekings Regierungschef Li Keqiang offenbar das Wohlwollen von EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker sichern wollte.

Zudem soll China laut EU-Vertretern kurz vor Beginn des Gipfeltreffens am Dienstagnachmittag Zugeständnisse beim Marktzugang und bei Subventionen für die Industrie in Aussicht gestellt haben – also in zwei Bereichen, in denen die EU Peking zu einem Verzicht auf unfaire Wettbewerbspraktiken bewegen will. Peking stimmte einer Verschärfung der Regeln für Subventionen von Industriegütern im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO zu. Der Entwurf für die Abschlusserklärung, auf den sich beide Seiten im letzten Moment geeinigt hätten, enthalte zudem eine Ablehnung "erzwungener Technologietransfers", hieß es aus EU-Kreisen.

50 Stunden verhandelt

"Die EU und China unterstützen nachdrücklich das regelgestützte multilaterale Handelssystem", heißt es in der siebenseitigen Abschlusserklärung. Zusammen wollen die EU und China demnach "gegen Unilateralismus und Protektionismus kämpfen" und verpflichten sich "zur Einhaltung der Regeln der Welthandelsorganisation".

"Diese Erklärung ist das Ergebnis von 50 Stunden Verhandlungen über die letzten zehn Tage", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Auch wenn der Fortschritt weniger bedeutend als erhofft sei, sei der diesjährige EU-China-Gipfel ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, fügte er hinzu.

Unterdessen kamen es wegen Staatshilfen auch zu schweren Dissonanzen zwischen Washington und Brüssel. Denn die USA schwingen ein weiteres Mal die Zollkeule. "Die Zeit zum Handeln ist gekommen", verkündete der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer in Bezug auf den seit 15 Jahren schwelenden Streit um Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing.

Drohen mit der Zollkeule

Insgesamt elf Milliarden Dollar an zusätzlichen Zöllen will er für Importe aus der EU einheben, was dem angeblichen Schaden durch die Staatshilfen entsprechen soll. Betroffen wären neben Verkehrsflugzeugen und Flugzeugteilen auch Milchprodukte, Wein, Olivenöl, Orangen, Ferngläser und Badebekleidung. Die USA haben die Vergeltungszölle bei der WTO bereits beantragt und erwarten eine baldige Entscheidung.

Die EU-Kommission stuft das US-Vorgehen als "stark übertrieben" ein und erwägt selbst Vergeltungsmaßnahmen wegen Subventionen für den US-Konzern Boeing. Die Europäer hatten die USA im Gegenzug ebenfalls wegen illegaler Staatshilfen bei der WTO an den Pranger gestellt. Diese stellte auf beiden Seiten Regelverstöße fest, ermittelte aber noch keine konkreten Schadenszahlen. Erst Ende März hatte das letztinstanzliche Berufungsgremium der Handelsorganisation entschieden, dass Boeing trotz eines früheren Urteils wegen verbotener Bezuschussung weiterhin staatliche Unterstützung erhalten habe.

Frankreich warnte darauf am Mittwoch vor einer Eskalation des Subventionsstreits. Davon profitiere lediglich der aufstrebende chinesische Hersteller Comac, sagte Finanzminister Bruno Le Maire am Mittwoch. "Ein Streit zwischen Boeing und Airbus wäre absurd, da die Branche eng verflochten ist. Wir sind bei einer Reihe von Komponenten aufeinander angewiesen." Ein Handelskrieg zwischen Boeing und Airbus spiele nur Comac in die Hände.

Turbulente Zeiten

Beide Flugzeugbauer steuern derzeit durch turbulente Zeiten. Boeing macht das Flugverbot für das Modell 737 Max nach zwei Abstürzen dieser Maschinen zu schaffen und gab Ende vergangener Woche bekannt, die Erzeugung dieses Flugzeugtyps zu drosseln. Airbus musste knapp zuvor im Februar ankündigen, die Produktion des als Prestigeprojekt gehandelten Riesenfliegers A380 mangels Nachfrage gänzlich einzustellen.

Jedenfalls droht nun der zwischenzeitlich entschärfte Handelskrieg zwischen den USA und Europa neu aufzuflammen. Washington hebt bereits Zölle auf Stahl und Aluminiumimporte aus der EU ein, worauf diese mit Gegenmaßnahmen reagierte. Auch Importabgaben auf Autos stehen im Raum, was besonders die deutsche Industrie schwer treffen würde. Auch für diesen Fall hat Brüssel bereits Vergeltungsmaßnahmen angedroht.

Vereinbarung als Ziel

Zu all dem muss es freilich nicht kommen. Der Handelsbeauftragte Lighthizer betonte im Flugzeugstreit, dass es das Ziel der USA sei, eine Vereinbarung mit der EU zu erzielen, um alle unerlaubten staatlichen Beihilfen für die Branche zu beseitigen. Dann könnten auch die zusätzlichen Vergeltungszölle auf europäische Importe wieder zurückgenommen werden. Brüssel geht einen Schritt weiter und erwägt ein Handelsabkommen, das Zollfreiheit für Industrieprodukte vorsieht.

Wie schwer Handelskonflikte beizulegen sind, zeigt sich an jenem zwischen Peking und Washington, der auf das Betreiben von US-Präsident Donald Trump hin losgetreten wurde. Beide Seiten überzogen sich gegenseitig mit Strafzöllen im Volumen von mehr als 360 Milliarden Dollar. Zwar schürte Trump zuletzt Hoffnungen auf eine Beilegung des Streits, vergangene Woche brachten Verhandlungen in Washington aber offenbar keinen Durchbruch. (Alexander Hahn, 9.4.2019)