Junge proeuropäische Briten fordern ein zweites Referendum.

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Großbritannien treibt die Europäische Union vor sich her. Anders kann man das jetzt nicht mehr nennen. Gebannt schaut ganz Europa auf die Briten, die sich so schwer damit tun, sich vom Kontinent scheiden zu lassen. Innerhalb von zwei Jahren gelang es London nicht, sich auf eine gemeinsame politische Stoßrichtung zu einigen. Zuerst, weil Theresa May nicht bereit war, diese historische Zäsur auf breiter politischer Basis zu behandeln – jetzt, weil die Abgeordneten nicht verwinden können, dass der Deal nicht auch ihre Handschrift trägt. Vereinfacht gesagt.

Mittlerweile ist eingetreten, wovor so viele aus EU-Sicht immer gewarnt haben: Der Rosenkrieg um den Brexit beginnt, die Wahlen zum Europäischen Parlament zu vergiften. Die Wahrscheinlichkeit, dass Großbritannien an der EU-Wahl Ende Mai teilnimmt, ist mittlerweile sehr hoch.

Schaden ist angerichtet

Das britische Parlament hat – rechtlich nicht bindend, aber politisch schwerwiegend – klargemacht, dass ein No-Deal-Brexit keine Option ist. In einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk bat May deshalb vergangenen Freitag um Aufschub bis Ende Juni – auch ein flexibler Aufschub von bis zu einem Jahr steht im Raum.

Juristisch ist noch umstritten, ob die Briten mitwählen müssten, wenn sie kurz vor der konstituierenden Parlamentssitzung am 2. Juli und nicht schon vor dem Wahltermin austreten. Der Schaden wäre aber so oder so angerichtet. Denn das Risiko, dass die Wahl angefochten wird, ist genauso groß wie die möglichen Auswirkungen einer Teilnahme der Briten auf den Wahlkampf – und auf das Ansehen der EU insgesamt.

Welchem Wähler wäre zu verdenken, wenn er angesichts der Tatsache, dass die Briten trotz ihres bevorstehenden Austritts weiter Einfluss auf die EU-Politik nehmen könnten, die Welt nicht mehr versteht? Die Vorstellung, dass britische Abgeordnete – am Ende sogar EU-feindliche – das EU-Budget mitbestimmen, einen Kommissionspräsidenten mitwählen und sogar den EU-Freihandel mitgestalten sollen, ist mehr als abstrus.

EU-Politik würde zur Farce

Der konservative Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg hat ja bereits seine Gelüste kundgetan, Klotz am Bein der Union zu bleiben. Sollte man länger in der EU bleiben, wolle man so "schwierig wie möglich" agieren und bei EU-Budget wie EU-Armee blockieren. EU-Politik unter diesen Vorzeichen könnte zur Farce mutieren.

In den letzten Monaten stieg die Zustimmung der EU-Bürgerinnen und -Bürger zur Union wieder, unter anderem deshalb, weil die Diskussionen um den Brexit vielen vor Augen führten, dass es angesichts globaler Herausforderungen Vorteile hat, Mitglied eines Staatenverbunds zu sein. Vielen erscheint die EU wieder als eine Art Stabilitätsanker in unsicheren Zeiten. Auch abseits von Gemeinplätzen wie der Gurkenkrümmung oder der üblichen "Wir gegen die"-Rhetorik wurden europäische Themen wieder Teil politischer Alltagsdiskussionen.

Dieses neugewonnene Zutrauen wäre mit einem Mal zerstört. Den Bürgern und Bürgerinnen lässt sich die Farce einer Europawahl mit den Briten nicht ohne Imageverlust verkaufen.

Nutzen könnte das wiederum den Kräften im EU-Parlament, die es nicht gut meinen mit der Weiterentwicklung der Union. Das britische Drama muss langsam zu einem Ende kommen. Zur Not auf die harte Tour. Dann kann man sich endlich wieder den eigentlichen, drängenden Problemen zuwenden. Scheiden tut weh. Es ist Zeit. (Manuela Honsig-Erlenburg, 10.4.2019)