Laut dem Experten Lukas Feiler beißt sich das "digitale Vermummungsverbot" in mehreren Punkten mit geltendem EU-Recht.

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Die Regierung plant ein neues Gesetz, das die Anonymität im Internet gegenüber Behörden aufheben soll. Die Pläne für ein sogenanntes "digitales Vermummungsverbot" wurden am Mittwoch dem Ministerrat vorgelegt.

Konkret sollen Nutzer zwar weiterhin ihre Identität hinter einem Pseudonym wahren können, wenn sie öffentlich diskutieren. Betreiber müssen allerdings im Hintergrund Informationen, die User eindeutig identifizierbar machen, speichern und diese den Behörden im Falle einer Ermittlung zur Verfügung stellen. Zudem sollen auch Private Zugriff auf die Daten erhalten, sofern etwa der Verdacht auf eine Ehrenbeleidigung vorliegt.

Mehrere Verstöße

Plattformen, die sich nicht an die Regelung halten, müssten laut Informationen, die dem STANDARD vorliegen, eine verhältnismäßig hohe Geldstrafe – bis in den sechsstelligen Bereich – zahlen. Die Regierung argumentiert dies damit, dass auf diese Weise Hasspostings im Netz eingedämmt werden sollen.

Der IT-Rechtsexperte Lukas Feiler der Kanzlei Baker McKenzie sieht in den Informationen gleich mehrere Verstöße, "sowohl gegen EU-Recht als auch gegen österreichische Grundrechte".

Betreiber müssten laut den Plänen nämlich den Vor- und Nachnamen sowie die Adresse österreichischer User speichern. Dabei müssen Plattformen die Daten verifizieren – wie, bleibt für sie offen. Etwa könnten Nutzer Kopien ihrer Personalausweise oder aber ihre Handynummer bekanntgeben müssen. Sollte Letzteres der Fall sein, bedient sich die Regierung mit dem Gesetz der SIM-Karten-Registrierungspflicht, die seit dem 1. Jänner 2019 gilt. Seitdem können österreichische Nutzer anhand der Nummer ihres Mobiltelefons eindeutig identifiziert werden.

Vorrang für EU-Recht

Feiler sieht in den Plänen der Regierung einen Verstoß gegen die E-Commerce-Richtlinien der EU und gegen den Gleichheitssatz. So sieht die E-Commerce-Richtlinie vor, dass Dienstanbieter im Netz lediglich dem Recht des Herkunftslandes unterliegen. Daher dürfte Österreich keine strengeren Vorgaben vorsehen als das Herkunftsland des jeweiligen Betreibers.

"Selbst wenn das der österreichische Gesetzgeber tun würde, wären diese Vorschriften nicht anwendbar, weil dem EU-Recht ein Anwendungsvorrang zukäme", erklärt Feiler. Demnach habe das von der EU vorgegebene Recht Vorrang gegenüber dem österreichischen. Würden hingegen nur österreichische Betreiber zu der Speicherung verpflichtet werden, wären wiederum österreichische Anbieter unzulässig diskriminiert. "Das würde den Gleichheitssatz der österreichischen Verfassung verletzen", sagt er.

Datenschutzverstöße

Zudem kritisiert Feiler, dass die Regelung gegen das Grundrecht auf Datenschutz verstoße. Die verpflichtende Identifikation sei ein schwerwiegender Eingriff, da sie "flächendeckend und anlasslos gelten würde". Gleichzeitig wäre die Umsetzung vermutlich teuer. Zwar sind Plattformen unter bestimmten Kriterien ausgeschlossen – etwa wenn sie zu wenige User haben oder einen sehr niedrigen Jahresumsatz in Österreich aufweisen –, dennoch seien die Richtlinien laut Feiler nur von Großkonzernen erfüllbar. "Der Gesetzgeber würde daher kleinere Anbieter aus dem Markt drängen", sagt Feiler. Das wäre ein Eingriff in den Wettbewerb und somit nicht mit dem Grundrecht auf unternehmerische Freiheit vereinbar.

Doch kein NetzDG

Anderen Kritikern zufolge – etwa den Neos – kommt dazu, dass Hassbeiträge oft unter Klarnamen veröffentlicht werden. Zudem ist es laut der SPÖ problematisch, dass somit Plattformbetreiber eine Fülle an sensiblen Daten speichern müssen. Das mache sie zu einem lohnenswerten Ziel für Hacker.

Die Pläne sollen bereits im kommenden Jahr zu geltendem Recht umgewandelt werden. Bis zum Herbst will die Regierung einen finalen Beschluss im Nationalrat erzielt haben. Parallele Überlegungen wie etwa eine Regelung ähnlich dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) einzuführen, wurden offenbar gestrichen. Dieses hätte Plattformbetreiber dazu gezwungen, Hasspostings innerhalb eines kurzen Zeitraums zu löschen. (Muzayen Al-Youssef, 9.4.2019)