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Ein Schwarzes Loch wirft seinen Schatten.
Foto: Reuters/Event Horizon Telescope (EHT)/National Science Foundation

Wenn genug Materie auf kleinem Raum verdichtet wird, kommt etwas heraus, das sich mit dem menschlichen Verstand nur schwer fassen lässt: ein Schwarzes Loch. Ein solches astronomisches Objekt entwickelt unfassbare Gravitationskräfte. Nichts im Universum – weder Atome noch Lichtteilchen – kann seinem Einflussbereich entrinnen, sobald es den sogenannten Ereignishorizont, gleichsam seine "Oberfläche", erreicht hat. Mit anderen Worten: Ein Schwarzes Loch entzieht sich prinzipiell einer direkten Beobachtung. Anders verhält es sich dagegen mit Photonen und Materiepartikeln, die kurz davor stehen, von einem solchen Schwerkraftmonster verschluckt zu werden – den Schatten eines gigantischen Schwarzen Lochs vor dem Hintergrund dieser Strahlung hat nun ein internationales Team von Astrophysikern erstmals fotografisch eingefangen.

Das Konzept von Schwarzen Löchern ist älter, als man vielleicht annehmen mag: Bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert spekulierte der britische Astronom John Michell über hypothetische astronomische Objekte, deren Fluchtgeschwindigkeit gleich der Lichtgeschwindigkeit ist, und die somit Licht nicht entkommen lassen. Ihre moderne Basis erhält diese Hypothese mit Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, der zufolge kompakte Massen die Raumzeit so stark krümmen können, dass ihre Anziehung alles verschluckt, was den Ereignishorizont eines solchen Objektes passiert hat. Etabliert wurde der Begriff "Schwarzes Loch" jedoch erst 1967 von dem US-amerikanischen Physiker John Archibald Wheeler.

Das Ende eines Sternenlebens

Während lange Zeit unklar war, ob derartige Objekte nicht nur theoretische Überlegungen sind, gehen Astrophysiker mittlerweile mit ziemlicher Sicherheit davon aus, dass Schwarze Löcher reale Objekte sind, die den Schlusspunkt im Leben von massereichen Sternen bilden. Diese stellaren Schwarzen Löcher entstehen, wenn Sterne von mehr als 25 Sonnenmassen ihren Brennstoff verbraucht haben und in einer Supernova explodieren. Verlieren sie dabei nicht zu viel Materie, bleibt genug Masse über, die schließlich zu einem Schwarzen Loch kollabiert.

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Sheperd Doeleman, Direktor des Projekts Event Horizon Telescope, präsentiert bei einer Pressekonferenz in Washington den ersten visuellen Beweis für die Existenz von Schwarzen Löchern.
Foto: Getty Images / Chip Somodevilla

Was bedeutet das konkret? Sobald eine entgegenwirkende Kraft, etwa der thermodynamische Druck oder die Abstoßung zwischen den Atomen, geringer ist als die Gravitationskraft, kommt es in einem solchen Fall zu einem beschleunigten Prozess, bei dem die noch vorhandene Masse auf ein verschwindend geringes Volumen zusammenfällt. Die Folge ist, dass die Gravitation den Raum dramatisch verzerrt und den Ablauf der Zeit manipuliert – und zwar in einer Weise, die sich allenfalls mathematisch beschreiben lässt: Von außen betrachtet verlangsamt sich der Kollaps dabei immer mehr, und es scheint, als würde sich das Volumen nie auf einen Punkt zusammenziehen. Tatsächlich aber entsteht unterhalb des Ereignishorizonts so etwas wie ein Loch im Raum-Zeit-Gefüge, eine Singularität. Der Abstand zwischen diesem singulären Punkt und dem Ereignishorizont wird als Schwarzschildradius bezeichnet.

Aufgrund ihrer vielzitierten enormen Anziehungskraft könnte man sich Schwarze Löcher als große Objekte vorstellen. In Wahrheit sind sie überraschend klein: Würde man unsere Sonne bis zu ihrem Ereignishorizont komprimieren, hätte sie einen Durchmesser von gerade einmal sechs Kilometern, die Erde wäre überhaupt nur so groß wie eine Kirsche. Selbst jene gigantischen Schwarzen Löcher in den Zentren von Galaxien haben Durchmesser von nur wenigen Dutzend Milliarden Kilometern.

Virtuelles Riesenteleskop

Umso beeindruckender ist daher die Leistung der internationalen Kollaboration von Astrophysikern, die am Mittwoch das erste Schattenbild eines Schwarzen Lochs im Rahmen von gleich sechs Pressekonferenzen präsentiert hat. Gelungen ist die Aufnahme mithilfe des Event Horizon Telescope (EHT), eines Netzwerks aus acht Beobachtungsinstrumenten, die rund um den Erdball am Südpol, in Chile, Mexiko, Hawaii, Arizona, Frankreich, Grönland und Spanien positioniert sind. Gemeinsam ergeben sie ein virtuelles Radioteleskop von Erdgröße, das zunächst zwei potenzielle supermassive Schwarze Löcher ins Visier genommen hatte: Das eine trägt den Namen Sagittarius A*, sitzt im Zentrum unserer Milchstraße in 26.500 Lichtjahren Entfernung und dürfte eine Masse von rund 4,1 Millionen Sonnenmassen haben.

Tatsächlich abgebildet wurde schließlich Kandidat Nummer zwei im Inneren der aktiven Riesengalaxie Messier 87 im Sternbild Jungfrau. Dieses Objekt liegt zwar mit 55 Millionen Lichtjahren bedeutend weiter von der Erde entfernt, ist allerdings mit bis zu 6,6 Milliarden Sonnenmassen um einiges schwerer als "unser" supermassives Schwarzes Loch. Sein Durchmesser beträgt rund 40 Milliarden Kilometer.

Video: Die Pressekonferenz in Brüssel.
European Commission

Rotes Leuchten

"Die Ergebnisse geben uns zum ersten Mal einen klaren Blick auf ein supermassives Schwarzes Loch", betonte Anton Zensus, Direktor am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie, wo die Daten der beteiligten Radioteleskope mit enormem Rechenaufwand kombiniert worden sind. Zu sehen ist freilich nicht das Schwarze Loch selbst, sondern die Materie in seiner unmittelbaren Umgebung, die extrem aufgeheizt wird, ehe sie als Plasma hinter dem Ereignishorizont verschwindet. Die dabei freiwerdende charakteristische Strahlung ist als rotes Leuchten in der jetzt vorgelegten Aufnahme zu erkennen.

Letztlich fotografierten die Teleskope das Schwarze Loch im Radiolicht bei 1,3 Millimeter Wellenlänge vor dieser sogenannten Akkretionsscheibe, gleichsam "wie eine schwarze Katze auf einem weißen Sofa", erläuterte Zensus. Mit den Beobachtungen, die auch im Fachblatt "Astrophysical Journal" in insgesamt sechs Studien vorgestellt werden, hoffen die Forscher zahlreiche grundlegende Fragen zu beantworten, darunter: Sehen Schwarze Löcher so aus wie von der Theorie erwartet? Dem scheint tatsächlich so zu sein: "Wir waren, ehrlich gesagt, überrascht, wie gut der beobachtete dunkle Fleck mit der aus unseren Computersimulationen vorhergesagten Struktur übereinstimmt", sagt Zensus.

Video: Was man auf dem Bild tatsächlich sieht.
Veritasium

An der Grenze zum technisch Möglichen

Mit der angewendeten Methode – die Technik heißt Very-Long-Baseline-Interferometrie (VLBI) – bewegten sich die Wissenschafter an der Grenze des technisch Machbaren. Alle acht beteiligten Radioteleskope mussten zum selben Zeitpunkt auf dieselbe Quelle ausgerichtet werden. Synchronisiert wurden sie dabei mithilfe von hochpräzisen Atomuhren, und zwar auf die Nanosekunde genau. Dabei ergibt sich eine extreme Winkelauflösung von weniger als 20 Mikro-Bogensekunden – ohne diese wäre die Aufnahme des Schwarzen Lochs nicht möglich gewesen. Das nun präsentierte Bild ist das Resultat der Zusammenführung der gesammelten Radiodaten, die in zwei Zentren, in Haystack, USA, und eben im Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn vollzogen wurde.

Zäsur in der astronomischen Forschung

Den wissenschaftlichen Erfolg dieses Projektes würdigte auch EU-Forschungskommissar Carlos Moedas als "gewaltigen Durchbruch für die Menschheit", der auch Politikern eine Lektion erteilen würde: Es zeige nicht zuletzt, was internationale Kooperation zu leisten imstande sei. Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie, ergänzt: "Über viele Jahrzehnte konnten wir Schwarze Löcher nur indirekt nachweisen." Dann aber hätten Detektoren vor ein paar Jahren erstmals Gravitationswellen gemessen und die Auswirkungen von Schwarzen Löchern auf die Raumzeit bei deren Verschmelzung praktisch hörbar gemacht. "Nun können wir sie endlich auch sehen und haben die Möglichkeit, diese exotischen Objekte und deren extreme Raumzeitkrümmung mit all ihrer Faszination auf einzigartige Weise zu untersuchen."

Und Anton Zensus geht sogar noch einen Schritt weiter: "In Zukunft werden sich Forscher weit über unser Arbeitsgebiet hinaus klar an eine Zeit vor und nach dieser Entdeckung erinnern", meint der Max-Planck-Direktor.

Seeker

(tberg, red, 10.4.2019)