Wien/Bagdad/Genf – Zwar ist die Terrororganisation "Islamischer Staat" im Irak und in Syrien militärisch besiegt und die Sicherheitslage im Irak hat sich leicht stabilisiert, Sicherheitsbedenken bestehen aber weiterhin – vor allem in früher vom IS besetzten Gebieten. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) mahnt deshalb auch zu Vorsicht bei der Prüfung von Asylanträgen irakischer Flüchtlinge.

Auch wenn es weniger Vertreibungen gibt und sich die Zahl der Binnenvertriebenen, die nun in ihre Heimatregion zurückkehren können, erhöhte – von einer "Aufbruchsstimmung" könne noch nicht die Rede sein, sagt UNHCR-Expertin Gabriela Wengert im Gespräch mit der APA. Die derzeit relativ stabile Lage sei kein Zeichen dafür, dass Personen, die aus dem Irak geflohen sind, per se kein Schutzbedürfnis mehr haben, warnte sie. Der IS sei zwar aus militärischer Sicht besiegt, jedoch nicht als Ideologie und als Rebellengruppe – und als solche operiere sie nun wieder im Untergrund, "vor allem in ländlichen Gebieten". Zudem gibt es nach wie vor teilweise "massivste" Menschenrechtsverletzungen, berichtet Wengert.

Sicherheitslage zu schwierig

Das UNHCR spricht deshalb auch in aktuellen "Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen", die in wenigen Wochen veröffentlicht werden, eine Empfehlung gegen die Zwangsrückkehr in die früher vom IS besetzten Gebiete aus. Die Sicherheits- und Menschenrechtslage sowie die humanitären Bedingungen seien dort zu schwierig, begründet Wengert, die federführend an der Erstellung der UNHCR-Richtlinie beteiligt war.

Problematisch könnten laut Wengert der "schleppende Wiederaufbau" und die damit wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung werden: "Ich glaube, da verlieren die Menschen doch ein bisschen die Geduld." Es gebe Anzeichen dafür, dass "eh schon verschleppte Probleme, weiter verschleppt werden", betont die Schweizerin, die für das UNHCR in Genf tätig ist. Das sei im Irak auch in der Vergangenheit oft geschehen: Auf Konflikte und Krieg folgten Phasen der Stabilität, die aber durch das Ignorieren der den Konflikten zugrundeliegenden Ursachen immer wieder zu neuer Gewalt führten. "Der Ursprung der Konflikte wurde nie richtig angegangen", kritisiert Wengert.

727 Asylanträge von Irakern in Österreich

Sollten die Gräueltaten des IS nicht ordentlich aufgearbeitet werden, droht auch die derzeitige Situation "bald in mehr Gewalt zu kippen". Es könnte zu einer neuen Radikalisierung, zur Bildung neuer terroristischer Organisation führen, "vor allem wenn bestimmte Gruppen marginalisiert und als kollektiv schuldig deklariert werden – und das ist leider, was wir derzeit sehen", warnt die Irak-Expertin. Oft gehe es nicht um "individuelle Schuld, sondern um Schuldzuweisungen etwa aufgrund der Herkunft aus bestimmten Gebieten, einer Religion." Wengert: "Dieses Ungerechtigkeitsgefühl ist ein gutes Rezept für neue Radikalisierung."

In Österreich haben im vergangenen Jahr 727 Menschen aus dem Irak um Asyl angesucht, fast die Hälfte aller Anträge (49 Prozent) wurde negativ beschieden – allerdings sind hier auch jene Anträge von Personen miteingerechnet, die subsidiären Schutzstatus erhalten haben. Bei den Herkunftsländern liegt der Irak an fünfter Stelle, EU-weit sind die Iraker die drittgrößte Gruppe (sieben Prozent) nach Syrern (14 Prozent) und Afghanen (sieben Prozent). (APA, 10.4.2019)