Benjamin Netanjahu ist wohl weiter Israels Regierungschef. Und eigentlich stand das auch nie wirklich infrage.

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Die Grafik zeigt das Ergebnis bei einem Auszählungsstand von 35 Prozent.

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Fußballfans kennen den alten Spruch: Ein Spiel dauert 90 Minuten, und am Ende gewinnen die Deutschen. Seit der letzten Weltmeisterschaft stimmt das nicht mehr. In Israel gilt aber noch immer: Ein Wahlkampf dauert drei Monate, und am Ende gewinnt Benjamin Netanjahu.

Nicht weniger als 23 Jahre ist es her, dass "Bibi" sich zum ersten Mal in einer Wahlnacht auf dem Podium im Likud-Hauptquartier von seiner Frau Sara als Sieger küssen lassen konnte. Jetzt ist der bald 70-Jährige seit zehn Jahren in einem Stück an der Macht. Im Juli wird Netanjahu, wenn man seine erste Amtszeit 1996–1999 hinzurechnet, den legendären Staatsgründer David Ben-Gurion überholen und Israels längstdienender Premierminister sein.

Auf die Koalition kommt es an

"Er ist ein Magier", skandierten die Parteisoldaten, als ihr Held gegen zwei Uhr früh antrat, um von einem "gewaltigen Sieg" und einem "traumhaften, beinahe unfassbaren Erfolg" zu sprechen. Doch das alles war, wie vieles rund um diese Wahlen und in den Berichten darüber, übertrieben und realitätsfern. Netanjahus Sieg ist keine Überraschung, und das Ausmaß ist relativ bescheiden. Über Wochen hatten Kommentatoren aus den Umfragen ein "Kopf-an-Kopf-Rennen" zwischen Netanjahu und Benny Gantz, dem Chef der brandneuen Zentrumspartei Blau-Weiß, herausgelesen. Auch nach den ersten Hochrechnungen hielten erste Meldungen noch an dieser Illusion fest – um künstlich Spannung zu erzeugen oder weil es manchen schwerfiel, ihr Wunschdenken aufzugeben?

Ja, seine Partei lag in allen Tabellen auf Platz eins, aber in Wahrheit hatte Gantz in keiner Phase eine Chance gehabt, die nächste Regierung zu bilden. Denn es kommt einzig und allein darauf an, im Parlament eine Koalition zusammenzukleistern, und die rechten und religiösen Fraktionen – also Netanjahus großer konservativer Likud und seine kleinen "natürlichen Partner" – waren gemeinsam durchgehend in der Mehrheit.

Unter Druck der kleinen Partner

Doch diese Mehrheit war und bleibt sehr knapp, und Netanjahu ist keineswegs ein großer Sieger. Er wird sich wieder mit weit rechts stehenden Partnern abquälen müssen, von denen jeder einzelne es in der Hand haben wird, die Regierung zu stürzen. Seit Jahrzehnten halten einander der Rechts- und der Linksblock in Israel ungefähr die Waage, und es gibt keinen klaren Wählerauftrag.

Schließlich ist Israel in den letzten 25 Jahren aus allen Gebieten, aus denen es sich zurückgezogen hat (Westjordanland in den 1990er-Jahren, Südlibanon 2000, Gazastreifen 2005), prompt angegriffen worden. Und in Wahrheit ist es gar nicht so wichtig, wer Israels Premierminister ist und aus welchem Lager er kommt. Regierungen verschiedener Schattierungen haben einander abgewechselt, aber unter dem Zwang der Umstände alle mehr oder weniger dasselbe gemacht: Sie haben nach einer angemessenen Antwort auf Terror und Raketen gesucht, fruchtlose Verhandlungen geführt, Siedlungen ausgebaut und manchmal abgerissen, vor dem Iran gewarnt, niedrigere Lebenshaltungskosten versprochen und versucht, mit den Strengreligiösen auszukommen.

Ähnliche Ansätze

Auch Gantz hätte ungefähr die gleiche Linie fahren müssen. "Wir werden den Frieden anstreben", hatte er etwa im Wahlkampf verkündet, um im selben Atemzug zu präzisieren: "Das vereinigte Jerusalem wird für immer die Hauptstadt des jüdischen Volkes und Israels bleiben", und "wir werden die jüdischen Siedlungsblocks stärken". Doch es ging kaum um Inhalte und fast nur um die Personen. Hinter dem sympathischen 1,91-Meter-Riesen, zuvor als Armeechef und in seiner kurzen Karriere als Geschäftsmann mäßig erfolgreich, hatten sich all jene gesammelt, die den lärmenden Netanjahu nicht mehr ertragen können und eine "Anti-Bibi-Pille" brauchen.

Für das Land wäre es jetzt, finden viele in Israel, das Beste, wenn Netanjahu und Gantz sich in einer großen Koalition zusammenfänden. Für Netanjahu wäre es auch das Bequemste für den Fall, dass Donald Trump tatsächlich demnächst einen Nahost-Friedensplan auf den Tisch legt – zwischen seinem Freund, dem US-Präsidenten, und rechtsextremen Koalitionspartnern könnte es Netanjahu zerreißen. Den Plan werden wir vielleicht nie sehen, und von der großen Koalition ist vorläufig keine Rede, doch Gantz könnte sehr bald eine zweite Chance bekommen. Wenn im Herbst, wie zu erwarten ist, gegen Netanjahu Korruptionsanklagen erhoben werden, wird ihn der eine oder andere Partner vielleicht fallen lassen. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, 10.4.2019)