Hass im Netz könnte sogar verstärkt werden.

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Ein respektvoller Umgang in Foren soll mit dem geplanten Gesetz über Sorgfalt und Verantwortung im Netz (SVN-G) gefördert werden. Die Verfolgung von Rechtsansprüchen soll erleichtert werden. Das sind zweifellos ehrenwerte Ziele. Doch die Gefahr ist groß, dass das Gesetz in der vorgeschlagenen Fassung sogar das Gegenteil bewirkt: mehr Verhetzung, Förderung von destruktivem Verhalten, weniger ausgeforschte Täter.

Verhetzer und Verhetzte

Das Neujahrsbaby 2018 wurde auf Facebook mit dem Posting "Für jedes österreichische Baby werden sechs muslimische Jihadisten geboren". begrüßt. Der Verfasser wurde im März 2019 nicht rechtskräftig wegen Verhetzung verurteilt. In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Verurteilungen wegen Verhetzung und Wiederbetätigung stetig zugenommen: von insgesamt 128 Fällen im Jahr 2015 auf 210 im Jahr 2018.

Onlineforen werden von Verhetzern oft gezielt zur Emotionalisierung verwendet: Verhetzer posten etwas, was gerade noch unter freie Meinungsäußerung fällt. Sie vergiften damit aber das Diskussionsklima und verleiten andere, die Verhetzten, Äußerungen zu tätigen, die in vielen Fällen strafbar sind.

Neue Möglichkeiten für Trolle

Hilft das neue Gesetz nun gegen das Streuen solcher Hassbotschaften? Nein. Denn es ist naheliegend, dass Verhetzer sich einzelne Schwachpunkte des Gesetzesentwurfs zunutze machen werden:

  • Es ist völlig ungeklärt, ob und wie Facebook, Twitter oder Instagram ihre Registrierungspraxis aufrund eines nationalen Gesetzes in Österreich ändern. Gerade dort, wo es bisher zu den schlimmsten Fällen von Hass im Netz gekommen ist, könnte es also weitergehen wie bisher.
  • Kleine Webseiten, zum Beispiel Fake-News-Plattformen, sind von dem Gesetz ausgenommen. Auf diesen kann anonym gehetzt werden. Höhere Registrierungshürden anderswo werden dazu führen, dass es gerade dort vermehrten Zulauf gibt, wo Hassbotschaften entstehen.
  • Für Trolle, die sich mehrfach bzw. immer wieder neu registrieren, um verschiedene Identitäten vorzutäuschen, wurde im Gesetzesentwurf ein eigenes Tor geöffnet: Plattformbetreiber müssen Registrierungsprofile auf Verlangen von Postern löschen. Dieser Umstand lässt sich leicht dafür ausnützen, Hassbotschaften nachträglich rasch zu anonymisieren und mehrfach in Umlauf zu bringen. Professionelle Hetzer bleiben dann vor Strafverfolgung verschont, unbedachte Poster werden zur Verantwortung gezogen.

Das "digitale Vermummungsverbot" droht daher zu einer digitalen Vermummungshilfe zu werden und sein eigentliches Ziel nicht nur zu verfehlen, sondern den Hass im Netz zu verstärken. Der Gesetzesentwurf ist somit weder sorgfältig noch verantwortungsvoll ausgearbeitet. (cmb, 11.4.2019)